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Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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Gesicht des Schongauer Bürgermeisters. Im Gegensatz zu ihrem letzten Treffen im Klostergasthof war Karl Semer diesmal äußerst freundlich.
    »Fronwieser!«, rief er aus, ganz so, als würde er einen alten Freund begrüßen. »Gut, dass ich Euch treffe. Es heißt, der Abt habe Euch ins Vertrauen gezogen, was diese leidigen Morde angeht. Stimmt das?«
    Simon blieb argwöhnisch. So leutselig war der Bürgermeister nur, wenn er etwas wollte. »Mag schon sein«, murmelte er. »Warum wollt Ihr das wissen?«
    »Nun …« Karl Semer machte eine dramatische Pause, dann setzte er sich neben Simon und winkte dem Wirt. »Von dem guten Tokaier, den wir gestern hatten!«, befahl er barsch. »Zwei Gläser, aber schnell!«
    Als der Wirt unter mehrmaligen Verbeugungen den Wein gebracht hatte, wartete Semer noch ein wenig. Erst dann fuhr er flüsternd fort: »Diese ganzen Vorkommnisse sind äußerst unerfreulich. Bei den Wallfahrern munkelt man bereits von Hexerei, irgend so eine belebte Puppe soll durch das Kloster schlurfen und die Mönche umbringen.« Er lachte leise. »Was für ein Unsinn! Aber glücklicherweise habt Ihr den Täter ja schon, nicht wahr? Dieser hässliche Apotheker soll’s gewesen sein. Ist denn, äh … bald mit ­einem Prozess zu rechnen?«
    »Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen«, erwiderte Simon kurz angebunden. »Es ist nicht gesagt, dass Frater Johannes wirklich der Täter ist. Der Abt erbittet sich ein paar Tage Bedenkzeit, bevor er den Weilheimer Landrichter von dem Vorfall in Kenntnis setzt.«
    Karl Semer winkte ab. »Reine Zeitverschwendung, wenn Ihr mich fragt. Der Apotheker war’s, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Besser, er brennt noch heute als morgen.«
    »Wie könnt Ihr Euch so sicher sein?«
    »Nun, ich … habe meine Quellen.« Der Bürgermeister lächelte breit. »Ich weiß, dass man das Okular dieses Unholds am Tatort gefunden hat. Er ist geflohen. Und außerdem …« Er beugte sich verschwörerisch vor. »Der Prior hat mittlerweile seinen Apothekerschrank durchsuchen lassen. Dabei hat man einige verbotene Arzneien gefunden, die auf Hexenwerk schließen lassen. Tollkirsche, Bilsenkraut, Stechapfel, auch das berüchtigte Rote Pulver, das man aus den Mumien Hingerichteter gewinnt …«
    Simon rollte mit den Augen. »Tollkirsche ist in geringen Dosen bei Fieber durchaus hilfreich. Und Bilsenkraut ­mischen nicht wenige Mönche nach wie vor in ihr Bier.«
    »Aha, und das Rote Pulver, hä? Was ist mit dem Roten Pulver?«
    »Herr Bürgermeister, darf ich fragen, warum Ihr so erpicht darauf seid, den Mönch brennen zu sehen?« Simon rückte unwillkürlich ein Stück von Semer ab. Das Glas Wein vor sich hatte er noch nicht angerührt.
    »Ist das nicht offensichtlich?«, zischte Karl Semer. »In genau sechs Tagen ist das Dreihostienfest. Da werden die Pilger in Scharen auf den Heiligen Berg kommen! Was würde wohl geschehen, wenn der Täter bis dahin noch nicht gefasst ist, na?«
    »Lasst mich raten«, sagte Simon. »Das Gerücht von einem mordenden Automaten würde die Runde machen, es kommen weniger Pilger und Ihr bleibt auf Euren Kerzen, Votiv­bildern und Weinkaraffen sitzen. Ist es das?«
    Der Bürgermeister zuckte zusammen. »Wer hat Euch gesagt, dass …«, fuhr er den Medicus an. Dann hatte er sich wieder unter Kontrolle.
    »Mir geht es allein um das Wohl der Wallfahrer!«, jammerte er. »Seht das doch ein, Fronwieser. Angst und Schrecken auf dem Heiligen Berg! Was würde der Heiland dazu sagen?« Er schüttelte bedauernd den Kopf. »Es wäre wirklich wünschenswert, wenn Ihr den Abt davon überzeugen könnt, den Fall abzuschließen. Und zwar noch vor dem Dreihostienfest am nächsten Sonntag.« Sein Blick bekam etwas Lauerndes. »Es soll Euer Schaden nicht sein. Ich habe mächtige Fürsprecher, die gewiss bereit sind, die eine oder andere Summe …«
    Abrupt stand Simon vom Tisch auf. »Danke für das Gespräch, Herr Bürgermeister«, sagte er leise. »Aber leider muss ich nun an einem weiteren Bericht für den Abt schreiben. Davon abgesehen erwarten wir schon morgen die Ankunft meines Schwiegervaters, es gibt also noch einiges zu tun.«
    Das Gesicht Karl Semers wurde aschfahl. »Jakob Kuisl ?«, flüsterte er. »Aber … aber was will der denn hier?«
    »Ihr wolltet doch einen Henker, nicht wahr?«, erwiderte Simon lächelnd. »Nun kommt eben einer, noch dazu der verflucht beste und schlauste im ganzen Pfaffenwinkel. Er wird diese Morde sicher aufklären

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