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Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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aus der Rocktasche und zwinkerte seinem Schwiegervater zu. »Darüber hinaus kann es nicht schaden, ein paar Psalmen auswendig zu lernen. Nur für den Fall, dass Ihr beten müsst und nicht wisst, wie das geht.«
    Der Henker beugte sich nach vorne und tippte Simon auf die Brust. »Glaub mir, mein Junge«, knurrte er leise. »Wenn dein schöner Plan schiefgeht, wirst du selber beten müssen. Oder tu’s am besten jetzt schon.« Er stand auf und zog sich die modrig riechende Kutte über. »Wenn mich auch nur ein Mönchlein erkennt, sitzen wir alle so tief in der Scheiße, dass uns nicht mal die Erzengel persönlich da wieder rausholen können.«
    Nur eine Stunde später stiegen Simon und der Henker die steilen Stufen hinauf zum Studierzimmer des Andechser Abts, das sich im ersten Stock des Osttrakts befand. Magdalena war mit den Kindern derweil im Schinderhaus geblieben, wo die beiden Kleinen die lang vermisste Mutter nicht mehr aus den Augen ließen. Zuvor jedoch hatte die Henkers­tochter die löchrige Mönchskutte länger gemacht und die schlimmsten Stellen von Schmutz gesäubert.
    Jakob Kuisl trug nun das schwarze Gewand eines Mino­ riten, um den Bauch baumelte eine weiße Kordel, und an sei nem Hals hing ein hölzerner Rosenkranz, der wie ein Pendel hin und her schaukelte. Anerkennend musterte ­Simon seinen Schwiegervater, der in der Kutte wie das fleischgewordene Strafgericht Gottes aussah. Jakob Kuisl hätte einen guten Pfarrer abgegeben, wobei Simon be­zweifelte, dass von ihm sehr viel Milde zu erwarten wäre. Nun, zumindest würde er seine Schäflein gut im Griff ­haben.
    »Diese Kutte kratzt wie die Krallen von Dämonen!«, fluch ­te der Henker. »Ich versteh wirklich nicht, wie die Pfaffen so was tagein, tagaus anhaben können.«
    »Ihr vergesst, dass sich Mönche auch gern selbst geißeln und auf Knien durch die Kirche rutschen«, mahnte Simon grinsend. »Vom Fasten mal ganz zu schweigen. Der Schmerz führt ganz offensichtlich zu Gott.«
    »Oder zur Wahrheit.« Jakob Kuisl wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Vielleicht sollte ich die Kutte bei meiner nächsten Tortur verwenden.«
    Mittlerweile hatten sie die Tür zum Studierzimmer des Abtes erreicht. Simon klopfte zaghaft an. Als keine Antwort kam, drückte der Medicus probeweise die Klinke, woraufhin sich die hohen Flügel der Tür fast wie von selbst öffneten. Die Abendsonne schien mild durch die verglasten Fenster und warf ihr Licht auf die Reihe von Regalen, die sich über die gesamte Rückwand zogen. Davor saß an seinem Schreibtisch Maurus Rambeck und brütete über einem Stapel Bücher. Der Abt schien ihr Kommen gar nicht bemerkt zu haben.
    »Äh, Hochwürden?«, meldete sich Simon vorsichtig. »Verzeiht die Störung, aber …«
    Erst jetzt schreckte Maurus Rambeck hoch. Eine einzelne kleine Schweißperle rollte über seine Stirn und tropfte auf ein Blatt Papier vor ihm. Eilig schob der Abt einige der Bücher zur Seite.
    »Ah, der Bader aus Schongau«, murmelte Rambeck und versuchte ein schmales Lächeln. Einmal mehr fiel Simon auf, wie blass der Abt seit gestern war. Seine rechte Hand zitterte leicht, als er sie zum Segensgruß hob. »Habt Ihr etwas Neues über die beiden bemitleidenswerten Toten erfahren? Eine Spur vielleicht, die uns weiterführt?«
    »Das nicht, Hochwürden.« Simon schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich werde mir die Leichen aber noch heute genauer ansehen. Zurzeit bin ich zu sehr mit den kranken Pilgern beschäftigt.«
    »Die kranken … Pilger?« Der Abt machte einen ratlosen Eindruck. Tatsächlich schien er in seiner eigenen Bücherwelt gefangen.
    »Nun, dieses Fieber, das in Andechs um sich greift«, versuchte Simon zu erklären. »Es ist wohl eine Art Nervenfieber, auch wenn ich noch nicht genau weiß, um welche Krankheit es sich genau handelt. Ich komme jedenfalls mit dem Behandeln kaum hinterher. Vor allem, da Frater Johannes nicht zur Verfügung steht …« Er machte eine kleine Pause, dann fuhr er fort: »Glücklicherweise habe ich jetzt einen Kollegen gefunden, der mir helfen kann. Natürlich nur, wenn Ihr es gestattet.« Mit weit ausholender Geste deutete Simon auf Jakob Kuisl, der mit heruntergezogener Kapuze und verschränkten Armen wie ein schweres Möbelstück neben ihm stand. »Bruder … Jakob. Er ist ein reisender Franziskanermönch, der sehr bewandert ist in den Heilkünsten. Nicht wahr, Bruder Jakob?«
    Der Abt schien Jakob Kuisl erst jetzt wahrzunehmen. Sein Blick streifte kurz die stämmige

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