Der Hexer und die Henkerstochter
Seitdem hatten sie darauf gewartet, dass ihr Vetter, der Schinder, gemeinsam mit seinem rothaarigen stummen Gesellen das Haus verließ und sie in Ruhe mit ihrem Vater reden konnten.
Von Ruhe konnte allerdings nur bedingt die Rede sein, denn die beiden Kleinen waren ständig damit beschäftigt, sich gegenseitig an den Haaren zu ziehen oder weitere Tonschüsseln vom Regal zu werfen.
»Himmelherrgott, Magdalena!«, brauste Simon auf. »Kannst du denn nicht mal dafür sorgen, dass die Kinder Ruhe geben, wenn Erwachsene etwas Wichtiges zu besprechen haben?«
»Ach, und warum macht das der Herr Vater nicht selbst?« Magdalena nahm den kleinen Paul auf den Schoß, der greinte, weil ihm sein Bruder einen geschnitzten Holzesel weggenommen hatte. »Könntest dich ohnehin mehr um deine Söhne kümmern.«
»Alles zu seiner Zeit«, erwiderte Simon leicht genervt. »Jetzt geht es wohl erst mal darum, mehr über ein paar der Mönche herauszufinden.« Nach einem letzten bösen Blick wandte er sich wieder seinem Schwiegervater zu.
»Seht selbst, wir haben für alles gesorgt. Was also soll schiefgehen?«
Dezent schob der Medicus die schwarze Kutte hinüber zu Jakob Kuisl, die er in einer Kiste im Gästebau des Klosters aufgestöbert hatte. Sie war mottenzerfressen und an den Rändern leicht schimmlig, doch wenigstens passte die Größe einigermaßen. Nachdem Magdalena ein paar kleine Änderungen vorgenommen hatte, wirkte sie wie die passende Kleidung eines wandernden Bettelmönchs.
»Die Minoriten tragen beinahe die gleichen Kutten wie die Benediktiner«, erklärte Simon mit Engelsgeduld. »Keiner wird merken, dass wir ein wenig nachgeholfen haben. Und wenn Ihr die Kapuze tief ins Gesicht zieht, erkennt Euch nicht mal Eure eigene Frau.«
»Lass meine Anna aus dem Spiel, verlauster Schwiegersohn«, brummte der Henker drohend. »Ich dulde nicht, dass …«
»Himmelherrgott, Vater!«, unterbrach ihn plötzlich Magdalena und schlug so energisch auf den Tisch, dass der kleine Paul wieder zu wimmern begann. »Siehst du denn nicht, dass wir nur so mehr herausfinden können über diese Morde? Es geht um deinen Freund, der schon bald auf dem Scheiterhaufen brennen wird, nicht um unseren!« Sie stand energisch auf und begab sich mit den beiden Kleinen zur Tür. »Aber bitte, wir können gern allesamt wieder nach Hause gehen und uns das Strafgericht von weitem anschauen. Der Simon und ich müssen nicht hier sein. Dann beten wir halt in der Basilika von Altenstadt zum lieben Heiland.«
»Äh, du vergisst, dass der Abt mich um einen weiteren Bericht gebeten hat«, murmelte Simon. »Wenn wir beide jetzt einfach gehen, schaut das sehr nach einer Flucht aus. Immerhin waren wir bis vor kurzem selber noch verdächtig. Man wird uns suchen und uns zusammen mit Nepomuk den Prozess machen. So wie der Prior mich immer wütend anstarrt, würde er mich vermutlich lieber heute als morgen brennen sehen.«
»Bleib gefälligst da, freches Weibsstück«, knurrte Jakob Kuisl und winkte seiner Tochter, die noch immer an der Tür stand. Dann entfaltete er angewidert die schwarze löchrige Kutte und starrte sie an. »Da pass ich nie im Leben rein.«
»Ich kann den Saum unten an den Rändern noch auslassen«, sagte Magdalena hoffnungsvoll und kam zurück an den Tisch. »Und eine hübsche weiße Kordel hab ich auch schon besorgt, die reicht sogar für deinen dicken Schmerbauch. Soll das heißen, du machst es?«
Der Henker zuckte mit den Schultern. »Niemals wird es klappen, dass ich mich damit ins Kloster schleich. Niemals! Vergesst das. Aber vielleicht reicht der Mummenschanz ja aus, um ein paar Worte mit dem Nepomuk zu reden. Habt ihr zwei Schlaumeier auch an einen Rosenkranz gedacht, hm?«
Simon hielt sich die Hand vor den Mund, damit sein Schwiegervater ihn nicht grinsen sah. Jakob Kuisl war der größte Sturschädel im gesamten Pfaffenwinkel, aber darüber hinaus war er auch der beste Freund, den man haben konnte. Insgeheim hatte der Medicus immer darauf vertraut, dass der Henker den hässlichen Nepomuk nicht im Stich lassen würde. Triumphierend griff er unter den Tisch und holte einen geschnitzten Holzrosenkranz hervor, was Kuisl mit einem gefälligen Grunzen erwiderte.
»Dann sollten wir jetzt in aller Ruhe besprechen, wie wir gleich vor den Abt treten«, sagte Simon erleichtert. »Schließlich muss Maurus Rambeck die Erlaubnis geben, dass ein Minoritenbruder sich in seinem Kloster um die Kranken kümmert.« Er zog eine kleine Bibel
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