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Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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»Irgendetwas verheimlicht uns Euer Freund Nepomuk. Offensichtlich hat er mit dem Uhrmacher Virgilius Experimente betrieben, bevor dieser dann verschwunden ist.«
    Jakob Kuisl rieb sich nachdenklich seine große Nase. »Dann sollte ich mit Nepomuk wohl mal ein ernstes Wörtchen reden.«
    »Und wie willst du das tun?«, fragte Magdalena. »Willst du als Schongauer Henker einfach an der Kerkertür des Klosters anklopfen und fragen, ob du den Gefangenen ein bisserl foltern und aushorchen darfst? Für Andechs ist der Weilheimer Landrichter zuständig, vergiss das nicht. Wenn der hohe Herr erfährt, dass du in seinem Gau unterwegs bist, landest du schnell selber auf der Streckbank.«
    »Mir wird schon irgendwas einfallen«, murrte Jakob Kuisl. »Mir ist noch immer etwas eingefallen. Und jetzt lasst uns endlich zu meinem Vetter Michael gehen.« Er wandte sich dem Gatter zu. »Die Kinder haben Hunger und ich auch. Ihr werdet sehen, mit einem vollen Bauch und einer rauchenden Pfeife denkt sich’s immer noch am besten.«
    Gemeinsam traten sie hinaus auf den Kirchplatz, der noch immer voller Pilger war. Die Handwerker hatten in der Zwischenzeit das Areal nahe dem Südflügel der Kirche mit Seilen abgesperrt, um in Ruhe mit den Bauarbeiten fortfahren zu können. Viele der Wallfahrer blickten besorgt hinauf zu dem löchrigen, verkohlten Dach; es gab vereinzeltes Murren, weil auch das Kirchenportal kurzfristig blockiert war. Simon beobachtete, wie sich eine Gruppe zornig lamentierender Pilger um den Eingang versammelte.
    »Eine Woche bin ich von Augsburg hergelaufen!«, schimp f­te ein alter Mann. »Eine ganze verfluchte Woche! Und jetzt lassen sie mich nicht mal in die Kirche. Eine Schande ist das!«
    »Beten wir, dass das Kloster wenigstens bis zum Dreihostienfest wieder in seinem alten Glanz erstrahlt«, meldete sich sorgenvoll ein reich gekleideter Patrizier. »Noch schaut es ja nicht danach aus. Sollen wir etwa hier zwischen Mörtel­säcken und Steinbrocken prozessieren? Für was hab ich eigentlich meinen Zehnten gezahlt, hä?«
    »Wir haben uns schon überlegt, ob wir wieder heim nach Garmisch gehen«, erwiderte ein altes Weiblein mit zittriger Stimme. »Erst das Fieber, das hier wütet, und dann soll auch noch irgend so ein Monstrum im Kloster sein Unwesen treiben.«
    »Ein Monstrum?«, fragte der Greis neben ihr mit woh­ligem Schauern. »Red schon, was hat es damit auf sich?«
    »Nun, man sagt …«, begann die alte Frau. Doch sie brach ab, als eine Prozession Benediktiner aus einem Seiteneingang der Kirche kam. Einige von ihnen trugen qualmende Weihrauchfässchen, die sie unter lautem Singen hin und her schwenkten. Die Menge sank auf die Knie, und die Mönche zogen erhobenen Hauptes an ihnen vorbei. Simon erkannte unter ihnen den Abt, den fetten Cellerar, den Novizenmeister, aber auch den hakennasigen Prior Jeremias. Kurz bevor die Pater das Hauptgebäude des Klosters betraten, spürte ­Simon, wie der Prior ihn voller Abscheu musterte. Dann waren die Mönche im Inneren verschwunden.
    Nachdenklich rieb sich der Medicus die Stirn. Der Abt, der Prior und auch all die anderen aus dem Klosterrat – irgend­etwas schienen sie vor ihm zu verbergen. Aber wie sollte er je davon erfahren? Dieses Kloster war wie ein verwunschener Ort, zu dem nur einige wenige Auserwählte Zugang erhielten. Wie also sollte er jemals zu dem inneren Zirkel vordringen können? Simon fluchte leise.
    Seine Gedanken wurden unterbrochen, als ein weiterer großer Mönch mit heruntergezogener Kapuze den anderen hinterhereilte. Für einen kurzen Moment glaubte der Medicus, seinen Schwiegervater in Benediktinerkutte vor sich zu sehen. Doch dann stellte er fest, dass es nur Pater Martin, der breitgebaute Schreiner, war, der gestern ihn und Magdalena bei dem toten Uhrmachergehilfen entdeckt hatte.
    Plötzlich durchzuckte Simon eine Idee.
    Nur wenige Auserwählte …
    Er musste unwillkürlich grinsen. Es schien, als hätte er endlich eine Möglichkeit gefunden, wie er mehr über die Mönche und ihre Geheimnisse im Kloster herausfinden konnte. Es bedurfte noch einiger Vorbereitungen, aber dann sollte seinem Plan eigentlich nichts mehr im Wege stehen.
    Allerdings glaubte er nicht, dass sein Schwiegervater von der Idee allzu begeistert sein würde.
    Noch lange, nachdem die drei Schongauer verschwunden waren, starrte ihnen der Mann hasserfüllt hinterher.
    Er hatte sie von seinem Versteck aus belauscht und war schließlich in der Menge auf dem Kirchplatz

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