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Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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Brandstelle befand sich in der Mitte des Raums; hier hatte sich das Feuer in den hölzernen Boden gefressen. Die Dielen knarrten bedenklich, als der Henker darüber hinwegschritt. Er kniff die Augen zusammen, um in dem diffusen Licht besser sehen zu können. Dann versuchte er den Tat­hergang zu rekonstruieren.
    Irgendjemand hat den armen Burschen mit Phosphor übergossen . Vitalis ist zur Tür geeilt, er wollte fliehen, dann kam der tödliche Schlag auf den Kopf. So muss es gewesen sein. Doch wo sind der Automat und sein Meister? Was hat man mit ihm gemacht? Ist er tot?
    Vorsichtig tappte Jakob Kuisl durch den dunklen Raum, auf der Suche nach irgendetwas, das ihm weiterhelfen würde. An der Rückwand befand sich ein großer verrußter Kamin, durch den der Wind pfiff. Rechts davon schloss sich eine weitere Kammer mit einem schmalen Bett an, vermutlich die Schlafstätte des Gehilfen. Eine Treppe führte von dort ins obere Stockwerk, wo nach Kuisls Einschätzung der Wohn­bereich des Uhrmachermeisters sein musste.
    Der Henker stieg die schmalen, ausgetretenen Stufen ­hinauf und gelangte in einen Gang, von dem zwei Türen abzweigten. Hinter einer lag die Schlafkammer mit einem Schemel und einem Nachttopf. Der andere Raum war interessanter: Hier befand sich auf mehreren Regalen eine gutsortierte Hausbibliothek.
    Lautlos pfiff Jakob Kuisl durch die Zähne. Er hatte in seinem Haus in Schongau zwar selbst eine stattliche Büchersammlung, allerdings waren es hauptsächlich Werke, die sich mit der Heilkunde beschäftigten. Die Bücher hier schienen eher technischer Natur zu sein.
    Der Henker zog einige der wertvollen Folianten hervor und blätterte gedankenverloren darin. Darunter waren griechische Werke aus Pergament, von Heron von Alexandria, Homer und Aristoteles, allesamt in lateinischer Übersetzung, aber es gab auch neuere Bücher – von Descartes, Cardano und einem gewissen Salomon de Caus.
    Dessen Werk war besonders zerlesen, mehrere Stellen waren rot angemerkt. Beim schnellen Durchblättern stellte Jakob Kuisl fest, dass Salomon de Caus offenbar mit der Kraft des Dampfes experimentiert und geglaubt hatte, auf diese Weise technische Apparate antreiben zu können. Mittlerweile bedauerte es der Henker, mit Frater Virgilius nie ein Gespräch geführt zu haben. Der Uhrmacher schien ein interessanter Mann zu sein.
    Oder gewesen zu sein , dachte Kuisl. Wer sich mit derlei ketzerischem Wissen beschäftigt, macht sich in einem Kloster jedenfalls schnell Feinde.
    Nachdenklich stellte der Henker das Buch zurück und ging die schmale Stiege wieder hinunter ins Erdgeschoss, wobei er das flaue Gefühl hatte, irgendetwas übersehen zu haben. Noch einmal ließ er seinen Blick über den zerstörten Raum gleiten. Zerborstene Stühle, Scherben, der Puppenkopf in der Ecke, der schaukelnde Drache über ihm, der ihn anzugrinsen schien …
    Was in drei Teufels Namen stimmte hier nicht?
    Plötzlich ertönte von draußen ein Geräusch, und der Henker zuckte zusammen. Schritte kamen auf das Haus zu! Mit einer schnellen Bewegung löschte Jakob Kuisl die Laterne und lehnte sich an die Wand des Labors, so dass er gänzlich vom Schatten verschluckt wurde.
    Die Schritte ­näherten sich zielstrebig der Tür, doch mit einem Mal hielten sie inne. Der Unbekannte draußen schien zu zögern.
    Himmelkreuzsakrament, was für ein Schafsschädel bin ich bloß! , durchfuhr es Kuisl. Ich hab die Tür nur angelehnt, sie steht einen Spaltbreit offen!
    Eine Zeitlang herrschte Stille, der Henker hörte nur seinen eigenen unterdrückten Atem. Doch nach einer Weile waren draußen wieder die Schritte zu hören. Laut scharrten sie über den Kiesweg im Vorgarten, dann entfernten sie sich, schneller und schneller. Jemand lief davon.
    Ohne weiter nachzudenken, stürmte der Henker zur Tür, riss sie auf und starrte in die Nacht hinaus – doch draußen auf der Gasse war nichts außer einer Katze, die ihn von einem Mäuerchen aus anfauchte. Irgendwo im Dunkeln huschten Schritte über den festgetretenen Lehmboden, eine schattenhafte Gestalt verschwand hinter der nächsten Ecke, dann kehrte wieder Ruhe ein.
    Leise fluchend zog Jakob Kuisl von außen die Tür hinter sich zu und machte sich auf den Heimweg. Wie hatte er nur so blöd sein können, seine Anwesenheit zu verraten! Kuisl war sicher, dass irgendjemand den gleichen Gedanken gehabt hatte wie er und vorgehabt hatte, im Haus des Uhrmachers nach einer Spur zu suchen. Nur wer? Der wahre Hexer? Oder nur ein

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