Der Highlander, der mein Herz stahl: Roman (German Edition)
meiner Mutter folgen, das verspreche ich.«
Eriks erster Impuls war es, das erschrockene Kind zu beruhigen. Dann aber fielen ihm Seamus’ Bemerkungen ein, und er wusste, dass die Angst des Jungen das Problem lösen würde, das ein Augenzeuge darstellte. Wenn der Junge berichtete, was er gesehen hatte, würde man seine Geschichte als kindliche Fantasie abtun. Manche Männer hätten nicht gezögert, den Jungen zu töten, aber für Erik war die Tötung Unschuldiger eine Grenze, die er nicht überschritt. Wie Ellie hatte sich der Junge nur zur falschen Zeit am falschen Ort befunden.
Im geisterhaftesten Ton, der ihm zu Gebote stand, sagte er:
»Schließe die Augen, rühre dich nicht und gib bis morgen keinen Ton von dir, oder ich komme wieder. Verstanden?«
Der Junge sagte nichts, Erik aber war ziemlich sicher, dass er verzweifelt nickte.
Er erwog, etwas zu suchen, um seine Wunde zu verbinden, wusste aber, jeder Verband würde im Wasser abgehen. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass der Tunnel leer war, trat Erik hinaus. Da er wusste, dass Geschichten über eine Phantom-Armee sich bereits landauf landab verbreiteten, konnte er nicht widerstehen, dem Jungen noch eine Warnung mitzugeben.
»Sag den Engländern, sie sollen aus Schottland verschwinden oder den Preis dafür bezahlen. Wir werden sie alle fassen.«
Der Junge schnappte nach Luft, was ihm verriet, dass er die Gerüchte gehört haben musste. Bruce, der wusste, dass Angst eine höchst wirkungsvolle Waffe sein konnte, hatte die Verbreitung der Gerüchte über seine Phantom-Armee von Marodeuren gefördert, die nicht rasten und ruhen würde, bis auch der letzte Engländer aus Schottland hinausgejagt war.
So gut wie sicher, dass der Junge bis zum Morgen nicht einmal zwinkern würde, wollte Erik doch kein Risiko mehr eingehen und lief durch den Tunnel zum Dock – diesmal ungehindert. Er hielt seine Hand über seine Bauchwunde, um das Blut so gut es ging zu stillen. Als er anhielt, um sie im Fackelschein zu untersuchen, sah er mit Erleichterung, dass sie zwar stark blutete, aber nicht sehr tief zu sein schien. Das Salzwasser würde freilich höllisch brennen, doch nach wenigen Minuten im kalten Wasser würde er völlig gefühllos sein und nichts mehr spüren.
Er hoffte nur inständig, dass nicht zu viele Haie in der Nähe waren. Mit Haien zu kämpfen, hatte ihm als Junge zwar Spaß gemacht, seitdem ihm einer aber einmal fast die Hand abgebissen hatte, war es damit vorbei. Erik kannte keine Angst, eine Begegnung mit einem großen Hai bei Nacht kam diesem Gefühl aber verdammt nahe.
Gottlob ohne Hai-Begegnungen schleppte Erik sich vierzig Minuten später aus dem Wasser und wurde sofort von seinen Männern umringt, ehe er das Ufer erreichte. Der Blutverlust und das lange Schwimmen hatten ihn so geschwächt, dass er einem Zusammenbruch nahe war. Aber er hatte es geschafft.
Beim Anblick der Schnittwunde spielte Domnall verrückt und wollte sofort Meg holen lassen, Erik aber wollte nicht, dass sie – sie beide – geweckt wurden. Ellie brauchte ihren Schlaf. Wurde sie zu früh geweckt, war sie grantig wie ein gereizter Bär. Die Wunde hatte bis zum nächsten Tag Zeit.
Er freute sich schon, Ellie sagen zu können, dass seine Mission von Erfolg gekrönt worden war – größtenteils, wenn auch in nächster Zeit ein weiterer Ausflug nach Dunaverty wegen seiner beinahe erfolgten Entdeckung zu riskant war.
Sie brauchte ein wenig Spaß, und er würde ihn ihr bieten.
Ellie vertilgte den letzten Rest der Köstlichkeit – altes Haferbrot, das Meg mit Zucker bestreut über Nacht in die Röhre geschoben hatte und das nun herrlich knusprig war –, als jemand an die Tür pochte.
In der Meinung, es wäre Hawk, staunte sie nicht schlecht, als Duncan eintrat. Er erwiderte ihren Morgengruß und wandte sich dann rasch an Meg, die eben Thomas ein Tablett gebracht hatte.
»Meg, wir brauchen dich unten im Lager. Du bekommst die Chance, eine Wunde zu nähen.«
Meg lächelte.
»Ich hole meine Sachen.«
»Hat der Captain Euch heute so früh trainieren lassen?«, fragte Ellie. Meg war schon zweimal gerufen worden, um Wunden zu versorgen, die die Männer beim »Training« abbekommen hatten.
Duncan grinste. Wie die meisten anderen zog er sie gern auf, da sie immer so spät aufstand.
»Für uns ist es schon fast Mittag. Aber nein, wir haben nicht trainiert. Es geht um den Captain.«
Sie sprang von ihrem Stuhl auf, ehe es ihr bewusst war.
»Was ist passiert?« Ihr Puls raste
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