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Der Himmel ist kein Ort

Der Himmel ist kein Ort

Titel: Der Himmel ist kein Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Wellershoff
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fühlte sich gespalten. Der Schwung der Darbietung hatte ihm gefallen. Aber es war in seinen Augen dabei zugegangen
     wie beim Sommerschlussverkauf: Die religiöse Metaphysik war zu kleinen Preisen über den Ladentisch gegangen. Das sollte wohl
     postmoderne Ironie sein, wenn er es richtig sah. Er hatte keine Lust, mit jemandem darüber zu sprechen und Vorurteile auszutauschen.
     Auch nicht mit Christoph. Und schon gar nicht mit Patrik, dessen Idee das Spektakel wohl |244| war. Er wollte allein sein. Auch an dem gemeinsamen Abendessen im Zelt wollte er nicht teilnehmen. Lieber irgendwo eine Pizza
     essen und danach in das nahe gelegene Gästehaus gehen, um sich früh ins Bett zu legen.
    Während er ging, hörte er im Hintergrund wieder den Sänger, der ein neues Stück ankündigte. Er redete ziemlich lang. Anscheinend
     glaubte er, sich dieser Gesellschaft von intellektuellen Zuhörern auf diese Weise empfehlen zu müssen. Er war einer jener
     verquatschten Ehrgeizlinge und Comedy-Entertainer, wie sie heute überall aus dem Boden schossen. Jetzt setzte wieder die Musik
     mit ihrem stampfenden Rhythmus ein, noch ohne Worte.
     
    In der Pizzeria waren kaum Gäste. Er wählte einen Platz im hinteren Teil des Raumes an einem Vierertisch zwischen lauter eng
     beieinanderstehenden unbesetzten Tischen. Drei andere Gäste, vermutlich Leute aus dem Ort, hatten sich an einen Tisch in der
     Nähe der Tür gesetzt, wo noch helles Tageslicht war. Er wartete auf seine Bestellung – wie üblich eine Pizza Margherita, die
     er wegen ihres schlichten Belags aus Käse und Tomaten für die ehrlichste Pizza hielt –, als zwei Tagungsteilnehmer hereinkamen
     und zwei Tische von ihm entfernt Platz nahmen. Einer hatte dabei kurz zu ihm herübergeschaut, ihn aber nicht erkannt. Sein
     Blick war gleich wieder von ihm abgeglitten und hatte sich dem Begleiter zugewandt. Sie studierten die Speisekarten, tauschten
     sich aus und gaben beim Wirt ihre Bestellungen auf, um gleich danach wieder ihr |245| Gespräch fortzusetzen. Irgendetwas beschäftigte sie – eine fachliche oder freundschaftliche Beziehung – und hatte sie veranlasst,
     sich von der Tagung zurückzuziehen, bei der jetzt im Zelt das Büfett eröffnet wurde. Er hätte gerne gewusst, worüber sie sprachen.
     Vielleicht redeten sie über die Vorträge und die Diskussionen oder über den Auftritt der Rap-Band und die ganze Veranstaltung
     und ihren Sinn oder Unsinn. Aber vielleicht war die Tagung für sie auch nur eine in Kauf genommene Gelegenheit, sich wieder
     einmal zu treffen und über ganz andere Dinge zu reden. Er hätte es gerne gewusst, hätte gerne ihre Meinungen kennengelernt.
     Aber die beiden bildeten eine geschlossene Gruppe, in der für andere kein Platz war.
    Jetzt kam auch die Pizza, sein Wasser hatte er schon. Die beiden Herren hatten Pasta und Weißwein bestellt. Sie aßen und tranken
     und unterhielten sich in kurzen Bemerkungen, als wären sie sich grundsätzlich einig über alles, was sie besprachen. Der Wirt
     trat an ihren Tisch und goss den Wein nach und zog sich mit einer angedeuteten Verbeugung wieder zurück. Sie saßen genau in
     seiner Blickrichtung, doch ihm nicht zugewandt. Für sie war er wie nicht vorhanden. Er beugte sich über seine Pizza Margherita
     und hörte sie reden, ohne etwas zu verstehen. Es waren die selbstbewussten Stimmen arrivierter Leute, die sich gegenseitig
     anerkannten.
    Als er gezahlt hatte und ging, schaute ihn einer der beiden Herren an, als ob er ihn erkannt hätte oder sich fragte, ob er
     ihn kenne. Automatisch nickte er, in dem Gefühl, dass es verkrampft wirkte und erklärungsbedürftig |246| war. Die Reaktion bekam er nicht mehr mit. Wahrscheinlich blickten sie ihm nach, während er zur Tür ging. Vielleicht war er
     ihnen aufgefallen, weil er neben Christoph gesessen hatte, als der sich mit seinen Wortmeldungen exponierte.
     
    Eigentlich hatte er vorgehabt, noch einmal in die Akademie zurückzukehren. Aber auf dem Parkplatz entschied er sich anders,
     holte sein Gepäck aus dem Kofferraum seines Autos und ging in der Absicht, sich eine Stunde hinzulegen, schräg über den Platz
     zum Gästehaus hinüber. Dort traf er auf Christoph, der ihn gesucht hatte und vorschlug, noch in einem Gasthof in der Nähe
     ein Bier zu trinken und, wie er sagte, dem berechtigten und unwiderstehlichen Impuls nachzugeben, gemeinsam über das ganze
     Palaver zu lästern.
    »Ja, gut, ich bring nur rasch mein Gepäck aufs Zimmer«.
    »Du hast

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