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Der Himmel so fern

Der Himmel so fern

Titel: Der Himmel so fern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kajsa Ingemarsson
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Rebecka geisterte durch ihre Gedanken. Manchmal war sie auf sie böse, dass sie so viel Platz beanspruchte. Rebecka hatte sich ihren Tod selbst ausgesucht. Das war traurig, doch für die anderen ging das Leben weiter. Musste es weitergehen. Es würde lange dauern, bis alle Wunden verheilt waren. Doch manchmal machte sie sich um Mikael ernsthaft Sorgen, denn Rebecka hatte noch immer so viel Macht über ihn. Natürlich musste er Zeit zum Trauern haben, Zeit heilt die Wunden, das war nicht der Punkt, aber manchmal redete er, als sei Rebecka noch am Leben. Er hatte das Gefühl, dass sie anwesend war, so beschrieb er es. Kleine Zeichen, Träume, Bilder, Worte. Das Rebeckagespenst. Sofia hatte versucht, mit ihm darüber zu sprechen, ihm mitzuteilen, dass ihre Schwester natürlich in ihren Erinnerungen weiterlebte und dies so bleiben würde, doch Mikael hatte ihr gar nicht richtig zugehört. Für ihn war es mehr als das.
    Das, was an jenem Abend geschehen war, hatte ihr auch Rätsel aufgegeben. Der Gedanke an Melvins Reaktion und seine Worte verursachte ihr kalte Schauer. Mikael gegenüber hatte sie versucht, es auf die lebhafte Phantasie ihres Sohnes zu schieben, aber er hatte ihr das nicht abgenommen. Sie hatte es ja selbst nicht geglaubt. Melvin hätte so etwas nie frei erfunden, aber das war die einzige Erklärung, die ihr in den Sinn kam. Denn schließlich konnte es ja nicht sein, dass Rebecka dort gesessen hatte! Neben ihnen, auf dem Sofa, als sie sich küssten. Der Gedanke war absurd. Rebecka war tot.
    Sofia schloss die Augen und versuchte, ihren Nacken zu entspannen. Mikael hatte genau da gesessen, wo sie selbst jetzt saß oder vielmehr lag, zurückgelehnt, den Blick nur auf sie gerichtet. Die Erinnerung ließ ihren Körper zucken. Und wieder tauchte das Bild von Rebecka auf.
    Sofia seufzte und stand auf. Sie konnte genauso gut das Sofa ausziehen und ihr Bettzeug holen. Es war zwar erst neun Uhr, aber vielleicht würde sie es schaffen, noch ein bisschen zu lesen, wenn sie sich jetzt schon hinlegte. Vielleicht würde ihr eine leichte Lektüre guttun, die sie für eine Weile auf andere Gedanken brachte?
    Im Badezimmer zog sie sich aus und drehte den Wasserhahn auf, so dass die Hitze in den alten Rohren aufstieg. Bald würde sie die Leitungen erneuern lassen müssen. Mikael hatte sich erkundigt, ob das schon gemacht worden sei, und meinte, es sei bald fällig. Bei seinem Job würde er wohl wissen, wovon er sprach, auch wenn ihr Vermieter darüber kein Wort verloren hatte.
    Es dauerte ein paar Minuten, bis das Wasser warm genug war, um sich in die Badewanne setzen zu können und den Wasserstrahl auf den Rücken zu lenken. Erst als sie die Hitze des Wassers spürte, wurde ihr klar, wie durchgefroren sie gewesen war. Lange Zeit ließ sie das Wasser weiterlaufen. Schließlich stand sie auf und griff nach einem frischen Handtuch, das im Badezimmerschrank lag. Der Frottee war steif, aber sie mochte das Gefühl, wie der harte Stoff auf ihrer nassen Haut rieb. Als sie sich abgetrocknet hatte, wickelte sie sich in das Handtuch ein und verknotete es über der Brust.
    Es war im Badezimmer sehr warm geworden, und der heiße Wasserdampf hatte sich wie eine feuchte Hülle über den ganzen Raum gelegt. Sofia machte einen Schritt in Richtung Tür, um kühle Luft hineinzulassen, als sie plötzlich etwas erblickte, das sie erstarren ließ. Im Spiegel über dem Waschbecken waren drei Wörter in die beschlagene Oberfläche geschrieben. Drei Wörter, die kaltes Schauern in ihr hervorriefen und in der Folge auf ihrem nackten Körper eine Gänsehaut.

Mikael sass vor dem Fernseher. Eigentlich hatte er nach den Nachrichten ausschalten wollen, doch vor dem Fernseher einfach zu entspannen, war so verlockend, dass er es sich nicht verkneifen konnte. Im Anschluss war noch eine amerikanische Dokumentation über den Weltraum gekommen, die ihn erstaunlicherweise sowohl fasziniert als auch fast eine Stunde lang auf andere Gedanken gebracht hatte. Als das Telefon klingelte, erschrak er, weil er nicht mit einem Anruf gerechnet hatte. Ein Blick auf das Display, und er musste schlucken. Er wollte nicht, er konnte nicht mehr mit Sofia reden. Sein Leben war schon schwierig genug, so wie es war. Er legte das Telefon zur Seite auf den Couchtisch, saß unnatürlich gerade und starrte das Handy an, das mittlerweile den amerikanischen Sprecher übertönte, als er gerade von kollabierenden Sternen, weißen Zwergen und schwarzen Löchern sprach. Als das Klingeln

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