Der Himmel so fern
verstummte, lehnte er sich langsam zurück und richtete seine Aufmerksamkeit erneut auf den Bildschirm. Nach ein paar Minuten gab er es auf. Die Konzentration war jetzt weg, und die Erklärungen des Sprechers konnten ihn leider nicht mehr fesseln. Er nahm die Fernbedienung und schaltete aus, so dass es auf einmal still im Zimmer wurde, nur das elektrische Knistern des Bildschirms hielt noch ein paar Sekunden an.
Er griff nach dem Handy und drückte ein paar Tasten. Auf wundersame Weise hatte es den gestrigen schlimmen Aufprall an der Wand ohne Schaden überstanden, nur ein Kratzer an der Hülle erinnerte an das, was geschehen war. Die heftige Reaktion hatte ihn selbst überrascht. Er hatte impulsiv reagiert und seiner Wut und Verzweiflung unmittelbar freien Lauf gelassen.
Ein Signal erklang, und er nahm das Handy ans Ohr. Er hatte kaum gemerkt, dass er die Nummer des nicht angenommenen Gesprächs zur Wiederwahl gedrückt hatte. Sofia nahm schon beim zweiten Klingeln ab. Erst erkannte er ihre Stimme nicht, sie war aufgeregt und redete wie ein Wasserfall, so dass er sie bat, sich zu beruhigen, damit er verstehen konnte, was sie zu sagen hatte.
»Ich verstehe nicht, erzähl’ noch mal von Anfang an – was ist passiert?«
Sofia setzte noch einmal neu an, doch bevor sie es ihm erklären konnte, brach sie in Tränen aus, und so wurde es noch schwieriger, ihren unzusammenhängenden Sätzen etwas zu entnehmen.
»Bist du zu Hause?«
Ein klägliches »Ja« war zwischen den Schluchzern zu hören.
»Brauchst du Hilfe, hast du dich verletzt? Ist etwas mit Melvin?«
»Nein, alles okay. Es ist … es ist … Rebecka.«
Erst als Sofia den Namen ihrer Schwester zum dritten Mal aussprach, konnte Mikael verstehen, was sie sagte.
»Rebecka?«
»Ja …«
Zehn Minuten später und nachdem er sie mehrfach beruhigt hatte, dass alles gut werde und er gleich bei ihr sei, saß er im Auto und bemühte sich, aus der Parklücke auszuparken. Sein Herz schlug heftig, während er versuchte, sich einzureden, dass er nur auf dem Weg zu einem Freund sei, der in einer Krise steckte, sonst nichts. Da half man einfach. Dass er sich Sorgen machte, war kein Wunder, Sofia hatte ja von Rebecka gesprochen. Wie würde er sie mit vernünftigen Argumenten beruhigen können, wenn er am Vortag noch selbst seine flackernde Lampe angebrüllt hatte?
Er zwang sich, seine Konzentration auf die Straße zu lenken, und bald lag die Innenstadt hinter ihm. Es waren nur noch wenige Autos auf der E 4 unterwegs, und er musste an sich halten, um nicht zu schnell zu fahren. Die Abende im Frühling waren schon lang, und bald würde der Sommer kommen. Ein orangefarbenes Licht von der sinkenden Sonne nahm man noch auf der anderen Seite der Autobahn zwischen den Tannen wahr, und die Temperaturanzeige seines Fahrerinformationssystems bestätigte einen warmen Abend. Eine Viertelstunde später war er angekommen und parkte vor ihrem Haus. Mikael sah kurz an der Fassade hinauf, dann tippte er den Türcode ein und lief mit schnellen Schritten die vier Stockwerke hinauf. Er klopfte leise an der Tür, und Sofia öffnete sofort. Travolta begrüßte ihn ebenso freudig wie beim letzten Mal, aber Sofia schob ihn ärgerlich wieder beiseite, und im nächsten Augenblick lag der Hund im Flur, wo er missmutig über die verwehrte Aufmerksamkeit jaulte.
Sofia schien sich nach ihrem Telefonat wieder beruhigt zu haben, denn sie sah gefasst aus, als sie zur Seite trat, um ihn in die Wohnung zu lassen. Sie standen sich mit etwas Abstand im Flur gegenüber, abwartend. Sie trug einen hellblauen Jogginganzug, hatte die noch feuchten Haare offen, so dass sie ihr auf die Schultern fielen.
»Ich hätte dich nicht rufen sollen.« Sofia sah ihn an, wich aber seinem Blick schnell wieder aus. »Vermutlich ist alles nur Einbildung, mein Hirn, das spinnt …«
»Darf man fragen, was eigentlich passiert ist?« Mikael sah sie an und lächelte sanft. Sie war so süß in dem Babyblau, vermutlich in diesem Zusammenhang ein völlig unangebrachter Gedanke.
»Ich habe geduscht … Und dann …« Sofia drehte sich um und ging die paar Schritte hinüber zur Badezimmertür. »Es ist besser, du schaust selbst nach«, sagte sie. Man konnte sehen, dass sie zweifelte, als sie die Hand auf die Klinke legte. »Ich habe die Tür einfach zugeschlagen«, sagte sie beschämt.
»Willst du, dass ich sie öffne?« Mikael kam zu ihr.
»Nein, das ist kindisch. Natürlich kann ich die Tür zu meinem eigenen Badezimmer
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