Der Himmel so fern
Stimme schwang mit, was wir vermutlich alle dachten. Dass Birgers Verspätung wohl keine Ausnahme war.
Aus Valdemars Mund klang das, als wäre unser Treffen lange verabredet gewesen, doch ich wusste noch immer nicht, was ich von der ganzen Geschichte halten sollte. Trotzdem hatte ich mich nicht widersetzt, als Arayan den Besuch vorgeschlagen hatte. Seit der Beerdigung hatte ich viel Zeit gehabt. Natürlich war ich sehr oft bei Mikael, doch man konnte ihn kaum erreichen. Es war, als ob dieses Ritual mich von ihm entfernt hätte, und so lief ich manchmal stundenlang zu Hause in der Wohnung hin und her, während Mikael mit irgendetwas beschäftigt war. Meine Anwesenheit hatte keinen Einfluss auf ihn. Ich hoffte, dass dies nur vorübergehend so wäre, aber Sorgen machte ich mir doch. Was hatte ich denn noch, wenn Mikael nichts mehr von mir wissen wollte? Vielleicht waren es diese Gedanken, die mich zu der Zusammenkunft mit den anderen trieben. Und nun war ich da. Für meine Fragen gab es nun einmal kein Handbuch, also war es sicher keine schlechte Idee, die anderen zu fragen.
Bevor ich ein Wort sagen konnte, bemerkte ich einen hübschen, bläulich changierenden Lichtschein, der sich uns näherte. Im nächsten Moment stand Birger vor uns.
»Jetzt weiß ich es«, teilte er mit, nachdem er alle kurz begrüßt hatte. Er war augenscheinlich sehr zufrieden. »Sifuel heißt er. Mein Engel. Obwohl ich nicht sagen kann, ob er männlich oder weiblich ist. Es war mir doch zu indiskret, direkt nachzufragen.« Es folgte sein schallendes Gelächter.
»Wie haben Sie das erfahren?« Valdemar schien sehr interessiert.
»Ich habe einfach gefragt. Bevor wir darüber sprachen, war mir gar nicht in den Sinn gekommen, dass dieser Filou einen Namen haben könnte. Doch als Sie von Ihren Engeln erzählt haben, da dachte ich mir, ach Gott, frag’ doch mal nach!«
»Und da haben Sie eine Antwort erhalten?«
»Ja. Das heißt eigentlich nein. Wie man will. Ich habe keine Stimme oder so etwas gehört. Es war so, dass … dass ich mit einem Mal wusste, dass er Sifuel heißt.«
»Klingt wirklich schön.« Anna wirkte nachdenklich. »Und jetzt sind wir alle wieder hier …«
»Ja, das sind wir.«
»Weiß denn jemand von Ihnen, warum?« Ich sah die anderen an, doch die schüttelten nur den Kopf, und meine Hoffnung, hier Antworten auf meine Fragen zu bekommen, schien im Keim erstickt.
»Wie geht es Ihnen, Rebecka?« Birger sah mich mit einem verblüffend ernsten Gesicht an.
»Ich war auf meiner Beerdigung«, sagte ich vorsichtig nach einer kurzen Pause. Eigentlich ging es die anderen nichts an, aber auf der anderen Seite war es ja auch kein Geheimnis. Mikaels Mutter hatte die Todesanzeige in beiden Morgenzeitungen platziert. Offiziell war ich tot, daran gab es nichts zu rütteln.
Anna konnte mich offenbar gut verstehen. »Schlimm«, sagte sie sofort. »Ich kenne das.« Dann korrigierte sie sich. »Ach Unsinn, was weiß ich schon. Von Ihrer Beerdigung weiß ich gar nichts. Vielleicht war sie ja sehr schön.«
»Sie war okay.« Mein Kommentar war sonderbar neutral, wenn man bedachte, worum es ging, und ich spürte, dass die anderen auf eine Fortsetzung warteten. Ich hätte viel erzählen können, doch das wollte ich lieber für mich behalten. »Vom Essen mal abgesehen«, fügte ich hinzu als Versuch, etwas Persönliches preiszugeben. »Aber ich musste es ja auch nicht essen …«
»Fanden Sie es nicht sehr belastend, als der Pastor sprach?« Anna zog ein Gesicht. »Für mich war das furchtbar. Und all die Ansprachen danach. Immer wieder wurde mir klargemacht, dass ich nicht mehr da bin. Alle redeten von mir, als gäbe es mich gar nicht mehr. Ich hätte am liebsten herausgeschrien: Natürlich bin ich noch da, ich bin gar nicht tot, aber was hätte das gebracht?«
Ich nickte und war erstaunt, wie deutlich sie genau das formulierte, was auch ich empfunden hatte. »Mir ging es genauso«, sagte ich. »Das war am schlimmsten, dass keiner begriff, dass ich da war. Nur Mikael hat es gemerkt.«
»Mikael?«
»Mein Mann.«
Anna nickte, während ich fortfuhr.
»Aber ich fürchte, meine Anwesenheit wurde ihm ein bisschen zu viel. Er war ja auch sehr mit den anderen Gästen beschäftigt. Ich stand neben ihm und hörte, wie sie ihm alle ihr Beileid aussprachen. Ein bizarres Erlebnis.«
»War Ihr Tod absehbar?« Anna sah mich neugierig an. Kurz überlegte ich, ob ich es erzählen solle, doch ich ließ es sein. Was nützte ihnen diese
Weitere Kostenlose Bücher