Der Himmel so fern
Fernseher. »Stundenlang kann er dasitzen und seine eigenen Rekorde knacken. Hätte er mir das doch nur beigebracht. Dann hätten wir zusammen spielen können. Und er hätte gemerkt, dass sein Vater doch zu etwas gut ist!«
Während Birger redete, schaute ich mich um. Vom Zimmer selbst war nicht viel zu sehen, es brannte keine Lampe. Alex hatte vermutlich schon vor Stunden zu spielen begonnen, bevor es draußen dunkel wurde. Doch was zu sehen war, sah ganz nett aus. Alex’ Mutter konnte sich keine Designermöbel leisten, doch sie schien sich um ihre Wohnung zu kümmern. Auf dem Boden lagen Teppiche, auf dem Sofa Kissen, und an der Wand hingen Bilder. Auf der Fensterbank sah ich Topfblumen, und soweit ich es beurteilen konnte, waren die Blätter auch grün. Ich selbst hatte nie einen grünen Daumen gehabt. Im Büro hatten wir eine Firma, die sich darum kümmerte, die einmal in der Woche kam, die Blumen goss und vertrocknete Blätter entfernte. Aber zu Hause? Sie verwelkten einfach, wenn ich es probierte.
Ich weiß nicht genau, wie ich mir Birgers Sohn nach seinen Erzählungen vorgestellt hatte. Einen, der auf die schiefe Bahn gerät. Wahrscheinlich eine armselige Erscheinung zwischen einem Haufen Jugendlicher, die Nitroverdünnung schnüffeln, in einem alten Keller, wo die Mülltonnen stehen. Oder eine Fixerbude, wo Decken vor den Fenstern hängen? Tatsache war, dass der Anblick dieser aufgeräumten Wohnung die Dramatik in Birgers Erzählung ein wenig dämpfte. So schlimm konnte es wohl doch nicht sein? Der Junge hatte schließlich ein Zuhause und eine Mutter, die sich offensichtlich darum kümmerte, dass er etwas zum Anziehen und zum Essen hatte. Sogar Videospiele zur Unterhaltung.
Kaum hatte ich dies zu Ende gedacht, ging die Wohnungstür auf. Mein erster Impuls war, mich zu verstecken, ich hatte mich noch immer nicht an meinen unsichtbaren Körper gewöhnt, doch die anderen blieben ganz ruhig stehen. Die Frau, die Birgers Ex-Frau sein musste, hängte ihre Jacke auf den Bügel und stellte ein paar Einkaufstüten in der Küche ab, ehe sie in das Zimmer kam, in dem wir uns alle befanden.
»Du sitzt ja ganz im Dunkeln«, sagte Monica, während sie durch den Raum ging und überall kleine Lampen anknipste. Alex reagierte nicht. »Wie geht’s dir?« Sie ging zum Sofa und strich dem Sohn übers Haar. Er starrte weiter auf den Bildschirm.
»Gut.«
»Und wie war’s in der Schule?«
»Gut.«
Birger schnaubte. »Er war gar nicht in der Schule«, empörte er sich. »Er ist in die Stadt gefahren und hat sich mit ein paar Freunden rumgetrieben. Einer von ihnen hat in einem Geschäft auf der Drottninggata CD s geklaut. Alex hat eine abbekommen, sie ist in seiner Tasche.«
»Ist ja schön, dass alles gut lief.« Monicas Stimme klang froh, doch sie sah besorgt aus, während sie ihren Sohn auf dem Sofa betrachtete. »Ich wollte zum Essen eine Pizza in den Ofen schieben, ist das okay?«
»Ja.«
»Ich mache schon mal den Backofen an. Hast du großen Hunger?«
»Ja.«
Sie drehte sich um und verließ den Raum. Gemäß Birgers Beschreibungen war sie Mitte vierzig, doch man hätte sie auch zehn Jahre älter schätzen können. Das schulterlange Haar war gelblich blondiert und sah spröde und glanzlos aus. Unter den Augen war etwas von ihrer dick aufgetragenen schwarzen Mascara verlaufen. Ihr üppiger Busen spannte unter dem schwarzen Pulli, und ihre Jeans war zu tief geschnitten und betonte die breiten Hüften unvorteilhaft.
»Wo arbeitet Monica?«, fragte ich, als ich der Frau hinterhersah, wie sie das Zimmer verließ.
»In der Küche einer Kantine. Eigentlich kann sie sehr gut kochen, doch meist wärmt sie tiefgekühlte Fertigprodukte auf. Sowohl zu Hause als auch bei der Arbeit.«
»Das klingt, als wüssten Sie genau, was sie macht.«
»Ich bin in letzter Zeit häufig hier gewesen.« Birger seufzte und sah wieder zu seinem Sohn. »Sie müssten mal richtig miteinander reden«, sagte er. »Sie hat ja die Möglichkeit, aber sie nutzt sie nicht. Das ist schrecklich frustrierend. Sie weiß doch im Grunde, was los ist. Die in der Schule wissen es doch, wenn er schwänzt. Manchmal rufen sie an, und dann wird sie fuchsteufelswild und schimpft ihn aus und tobt, und er verspricht, sich zu bessern, aber dann passiert nichts weiter. Ich würde die beiden so gerne wachrütteln.« Er schüttelte den Kopf. »Hallo, du Faulpelz, komm’, hilf’ mal deiner Mutter«, sagte er und nickte zu Alex hinüber. Im selben Moment ging der
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