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Der Himmel so fern

Der Himmel so fern

Titel: Der Himmel so fern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kajsa Ingemarsson
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Schwägerin. Er hatte sich mit Rebeckas Erklärung begnügt, dass sie mit ihrer Schwester nichts gemeinsam hätte und sie keinen Umgang pflegten. Wie hatte er sich damit zufriedengeben können?
    Sofia hatte vorgeschlagen, dass sie sich noch einmal treffen könnten, und er hatte zugestimmt, doch da sie sich nicht mehr meldete und die Zeit verstrich, verstand er ihren Vorschlag als reine Höflichkeitsfloskel denn als innigen Wunsch, sich noch einmal zu sehen. Und dann, eines Tages, hatte sie doch angerufen. Er hatte nicht gleich erkannt, wer am Apparat war. Sie war schüchtern, ganz anders als Rebecka. Ihre Stimme war dünn, und durch das Telefon klang sie noch weiter entfernt, als ob sie von der anderen Seite der Erdkugel anriefe. Sie hatte ein Café am Odenplatz vorgeschlagen, vielleicht wusste sie, wo er wohnte, und er war einverstanden. Sie hatten sich für morgen, 16  Uhr verabredet. Er hatte keine Ahnung, was da auf ihn zukam, aber der Gedanke, sie wiederzusehen, war zu verlockend, um abzusagen. So viele Fragen über Rebecka standen noch im Raum, und er hatte die Hoffnung schon aufgegeben, jemals eine Antwort zu bekommen. Jetzt, da sie tot war, schienen sich ungeahnte Möglichkeiten aufzutun. Als hätte man plötzlich die Gelegenheit bekommen, im Tagebuch des anderen zu blättern oder eine Handtasche durchzuwühlen, ohne dass die Gefahr bestand, entdeckt zu werden.
    Mikael zog sich die Decke über die entblößte Schulter. Im Schlafzimmer war ihm eiskalt. Was hätte Rebecka von alledem gehalten? Er konnte fast ihre Stimme hören, wie sie ihn mit Nachdruck aufforderte, die Finger davon zu lassen und die Verabredung abzusagen.
    »Tut mir leid«, sagte er einfach in die Stille hinein. »Wenn deine Schwester das Einzige ist, was von dir übrig ist, dann werde ich die Chance ergreifen.« Er schloss die Augen und sah Rebecka vor sich. Sie hatte ihr schwarzes Kostüm an, dasselbe, das sie trug, als sie starb. Er hatte es abgelehnt, das Kleidungsstück mitzunehmen, als er auf der Polizeiwache gewesen war. Ihre Aktentasche und der Wagenschlüssel waren alles, was er an sich genommen hatte. Die Tasche hatte er im obersten Fach in einem ihrer Kleiderschränke verstaut. Er hatte sie nicht einmal geöffnet, da wäre sowieso nichts zu finden, was ihm Aufschluss geben könnte. Zumindest keine der Antworten, nach denen er suchte.
    Langsam verblasste ihr Bild, während er sachte in den Dämmerzustand hinüberglitt, der zur Zeit seinen Schlaf ersetzte.

Er sass an einem Tisch in der Mitte des abgedunkelten Lokals. Es war ein altmodisches Café, die Einrichtung stammte noch aus den fünfziger Jahren. Er war schon lange nicht mehr dort gewesen. Mit Rebecka war er selten Kaffee trinken gegangen. Und wenn es doch einmal vorkam, dann eher in einer exklusiven Hotelbar oder in einem Café einer großen amerikanischen Kette, wo es Espressomaschinen gab, die wie Mondlander aussahen. Rebecka gefiel das Neue und Moderne. Was ihm selbst gefiel, hatte er vergessen.
    Er nahm einen Schluck Kaffee und brach ein Stück von seiner Zimtschnecke ab, die er sich bestellt hatte. Im selben Moment sah er, wie Sofia zur Tür hereinkam. Sie schüttelte sich und faltete ihren Regenschirm zusammen. Dann ging sie am Tresen vorbei und hielt Ausschau nach ihm. Als sie ihn am Tisch sitzen sah, lächelte sie kurz und kam auf ihn zu.
    »Hallo, ich hoffe, ich bin nicht zu spät.« Sie streckte die Hand aus, und sie begrüßten sich ganz förmlich.
    »Nein, nein, kein Problem. Ich war wohl früh dran.«
    »Ich hole mir nur eine Tasse Tee«, sagte sie und zog dabei ihre Jacke aus, schüttelte die Regentropfen ab und hängte sie über den freien Stuhl neben ihm.
    »Das mache ich!« Mikael sprang auf. »Was möchtest du dazu?«
    »Ach, wie nett, Danke schön!« Sie lächelte. »Ich nehme das Gleiche wie du.« Sie zeigte auf Mikaels Teller, auf dem die Zimtschnecke lag, daneben stand die halb leergetrunkene Kaffeetasse. »Eigentlich sollte ich es mir verkneifen, aber es sieht so lecker aus.«
    Mikael ging rasch zur Theke und bestellte.
Ich sollte es mir verkneifen
. Das hätte Rebecka nie gesagt. Wenn sie etwas nicht tun sollte, dann tat sie es nicht. Und wenn sie mit dem Gedanken dennoch gespielt hatte, und auch das allein war selten, dann hätte sie es nie im Leben preisgegeben. Er wartete, bis er an der Reihe war, und spürte sein Herz pochen. Nur eine einzige Antwort von ihr, und schon hatte er Rebecka im Kopf. Er hatte geglaubt, dass es nicht so schlimm werden

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