Der Himmel so fern
Fernseher aus.
»Ah, so ein Mist … Jetzt ist er wieder einfach ausgegangen!« Alex rief in die Küche. »Verdammt nochmal, wir müssen einen neuen Fernseher kaufen!«
»Daraus wird nichts werden«, murmelte Birger. »Nicht, solange ich hier bin.«
Ich sah fasziniert auf den Apparat, der nun ausgeschaltet war. »Haben Sie das gemacht?«, fragte ich.
»Ja.«
»Und wie?« Mein Staunen zauberte ein amüsiertes Lächeln auf sein Gesicht.
»Nur ein bisschen Hokuspokus. Ich schalte immer aus, wenn ich finde, dass er lange genug davorgehockt hat.«
»Ich schalte manchmal die Lampen an und aus.« Anna lächelte. »Und wenn kein anderer im Kinderzimmer ist, kommt es vor, dass ich die Spieluhr wieder aufziehe. Evelina hört das so gern.« Sie lachte auf. »Erik hat das einmal mitbekommen und konnte nicht begreifen, wie sie das hingekriegt hat.«
»Ich wusste gar nicht, dass wir so etwas können«, sagte ich und sah abwechselnd den einen, dann den anderen an. Es war ein Gefühl, als hätte ich soeben erfahren, dass sie einen Doktor in Astrophysik hatten.
»Wir können vieles, doch es ist nicht ratsam, sich dieser Fähigkeiten zu bedienen.« Valdemar schaute streng drein. »Genau das nennt man nämlich spuken.«
Anna sah ihn pikiert an. »Ich spuke nicht«, erklärte sie säuerlich. »Ich spiele mit meiner Tochter, was soll daran verkehrt sein?«
Die Diskussion nahm ein rasches Ende, als Alex sich vom Sofa erhob. Er hielt einen Augenblick inne, reckte sich, gähnte und ging dann hinüber in die Küche. Wir folgten ihm, Birger voraus. Ich einen Schritt hinter den anderen.
»Haben wir Cola?« Alex lehnte sich an die Spüle.
»Nein, wir müssen uns mit Wasser begnügen.«
»Ich kann kurz runterlaufen und welche kaufen, wenn du mir Geld gibst.«
Monicas Gesichtsausdruck verriet, dass sie lieber nein gesagt hätte, aber dann zuckte sie mit den Schultern. »Okay, dann nimm’ dir was aus meinem Portemonnaie. Es ist in der Tasche im Flur. Ein Zwanzigkronenschein wird reichen, oder?«
»Ja.« Alex spazierte in den Flur.
»Jetzt passen Sie auf.« Birger bedeutete uns mitzukommen. Er hockte sich in den Flur neben die Handtasche, die Alex gerade geöffnet hatte. Der Junge fingerte zwischen den raschelnden Geldscheinen im Portemonnaie. Dann zog er einen Hunderter heraus und hielt ihn in der Hand.
»Das wirst du schön bleibenlassen«, ermahnte ihn Birger mit tiefer Stimme. »Deine Mutter bestiehlst du nicht.«
Alex schien zu überlegen.
»Leg’ ihn zurück«, fuhr Birger fort. »Er gehört dir nicht. Leg’ ihn zurück.« Seine Stimme war fest. Alex biss sich auf die Wange und betrachtete den Hundertkronenschein, dann legte er ihn zurück und fischte stattdessen einen Zwanziger heraus.
»Ich gehe«, rief er der Mutter zu und zog seine Turnschuhe an, ohne sie erst aufzubinden. Hinter ihm schlug die Tür zu, und Birger stand wieder auf.
»Glück gehabt«, sagte er. »Manchmal hört er auf mich. Schlawiner.« Birger war stolz. »Wenn seine Freunde dabei sind, ist es schwer. Ihre Stimmen sind dominanter als meine, und manchmal glaube ich, Sie haben recht …« Er nickte zu Anna hinüber. »Dass er eigentlich nicht auf mich hören will, obwohl er hört, was ich sage.«
»Vielleicht ist er wütend.«
»Ja. Das hat mir gerade noch gefehlt.«
»Soll ich mal versuchen, mit seiner Mutter zu sprechen?« Valdemar machte ein ernstes Gesicht.
Birger war skeptisch, aber Valdemars aufrichtige Miene überzeugte ihn schließlich doch. »Gern«, sagte er mit einem Schulterzucken. »Aber seien Sie freundlich zu ihr, sie hat es nicht leicht.«
Valdemar ließ uns stehen und begab sich in die Küche, wo Monica jetzt am Tisch saß. Sie blätterte in einer Abendzeitung.
»Monica …« Valdemar nahm auf dem Stuhl gegenüber Platz. Ich konnte vom Flur aus sehen, wie sie beide dasaßen. Seine Stimme klang nett, aber bestimmt. »Monica, hören Sie mir zu. Es geht um Alex. Er war heute nicht in der Schule. Sie wissen das. Sagen Sie ihm, dass Sie es wissen. Das ist wichtig. Sie können ihm helfen, aber dann müssen Sie den Tatsachen ins Auge sehen. Reden Sie mit ihm. Lassen Sie sich nicht von ihm anlügen.«
Monica hörte auf zu lesen und sah auf. Sie legte ihr Kinn in die Hand und zupfte mit dem kleinen Finger ein bisschen an der Unterlippe.
Valdemar fuhr fort. »Er ist Ihr Sohn, Sie wissen, dass er Sie braucht. Lassen Sie sich nicht an der Nase herumführen. Das hilft ihm nicht. Verlangen Sie von ihm, dass er Ihnen die Wahrheit sagt.
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