Der Himmel über der Heide (German Edition)
Simon hatte sie immer noch nichts gehört, ihm aber vorsichtshalber auch noch eine Nachricht auf dem Küchentisch hinterlassen.
In der Landschaft wechselten sich bereits abgeerntete Getreidefelder mit grünen Wiesen, lichten Buchenhainen und dunklen Fichten- und Kiefernwäldern ab. Auf den Weiden grasten Pferde, und ab und zu sahen sie sogar Rehe. Besonders auffällig waren die grüppchenweise aufgestellten Windräder, die ihren Dienst angesichts des drückenden Sommerwetters aber zu verweigern schienen.
Als Kati das Tempo schließlich drosselte und die Abfahrt Richtung Uhlendorf nahm, stellte Flo die Musik leise und krächzte: «Wie lange habe ich nicht mehr so bescheuert gesungen? Ich habe schon Halsweh!»
«Lass das nicht meine Oma wissen», erwiderte Kati, «sonst steckt sie dich das ganze Wochenende über ins Bett und gibt dir Tee aus selbstgepflückten Kräutern zu trinken!»
«Also, ich hätte gern so eine Rundum-Sorglos-Paket-Oma. Meine kann nicht mal kochen.»
«Irgendwo musst du deine Talentfreiheit in der Küche ja herhaben», stichelte Kati. Sie wusste, das Einzige, was Flo zustande brachte, waren Tiefkühlpizzen und Nudeln mit Fertigsoßen.
Doch Flo ignorierte Katis sarkastischen Kommentar, kurbelte das Fenster herunter und streckte ihren Lockenkopf neugierig in den Fahrtwind, um die Landluft mit einem tiefen Seufzer einzuatmen.
Sie fuhren nun über eine einsame Landstraße und gelangten nach wenigen Kilometern in den geschützten Bereich des Naturparks Lüneburger Heide. Verschlafene Orte schmiegten sich hier in die sanft gewellte Landschaft. Im Schutz von uralten Eichen lagen die typisch niedersächsischen Höfe, häufig umringt von Feldsteinmauern.
Schließlich kamen sie nach Uhlendorf. Die Einfallstraße wurde von kleinen Häusern gesäumt, die in der Nachkriegszeit gebaut worden waren. Die Mitte des Ortes war ein paar kleinen Läden und einer Tankstelle vorbehalten, was Kati leicht spöttisch als «Stadtzentrum» bezeichnete. Im südlichen Teil des Dorfes standen einige neuere, meist mit kunstvollem Fachwerk versehene Häuser, ebenso wie ein halbes Dutzend gepflegter Bungalows, in denen meist Zugezogene wohnten, wie Kati ihrer Freundin erklärte.
Dann folgte sie der Hauptstraße mitten durchs Dorf und bog hinter der Kirche rechts ab auf die Sandstraße.
Als sie die Abzweigung zum Heidehof schon fast erreicht hatten, schoss plötzlich ein dunkler Kombi aus einer Seitenstraße. Der Fahrer begann sofort aggressiv zu hupen, und Flo entfuhr ein spitzer Schrei. Geistesgegenwärtig riss Kati das Lenkrad nach rechts und trat kräftig auf die Bremse. In letzter Sekunde kam der Wagen vor einer dicken Eiche zum Stehen.
Kati und Flo atmeten beide tief durch und sahen sich erschrocken an. Dann stieg Kati aus dem Auto, um nach dem Kombi zu sehen, der auf dem sandigen Boden gefährlich ins Schlittern geraten war und nun in einigen Metern Entfernung am Straßenrand stand.
Ein junger Mann stieg aus.
«Alles okay mit Ihnen?», fragte er aufgebracht und ging ein paar Schritte auf Kati zu. Dann blieb er plötzlich stehen, und an seinem Gesicht war deutlich seine Überraschung abzulesen, als er sie erkannte.
«Katharina?!», entfuhr es ihm vollkommen entgeistert. «Dich habe ich ja schon eine Ewigkeit nicht mehr gesehen!»
Kati stutzte. Dann erkannte auch sie ihr Gegenüber und erstarrte. Fassungslos stand sie einfach nur da und musste sich sammeln, ehe sie die richtigen Worte fand.
«Tut mir leid, ich … ich hab vermutlich nicht aufgepasst.»
Auf der Stelle machte sie kehrt und eilte zurück zu ihrem alten Golf. Sie wollte so schnell wie möglich wieder einsteigen, doch der dunkelhaarige Mann rief ihr nach: «Kati, warte doch!»
Im Einsteigen warf Kati ihm einen bösen Blick zu und zischte: «Wag es ja nicht, mich aufzuhalten!»
Kaum hatte sie die Fahrertür geschlossen, ließ sie den Motor an und drückte das Gaspedal durch. Der Motor heulte auf, bevor der Wagen davonschoss.
Flo schlug sich verängstigt die Hand vor den Mund und schüttelte ungläubig den Kopf.
«Was ist denn in dich gefahren?», fragte sie mit hochgezogenen Augenbrauen. «So hab ich dich ja noch nie erlebt!»
Kati schwieg und klappte energisch die Sonnenblende herunter.
«Was hat der arme Kerl dir denn getan? Der war doch total schnuckelig.»
Kati seufzte und ärgerte sich insgeheim, dass sie sich so hatte gehenlassen. Sie hätte damit rechnen müssen! Natürlich konnte er ihr hier begegnen. Wie lange war das jetzt her? Aber
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