Der Himmel über der Heide (German Edition)
würde. Am Wochenende wollte sie die Freundin außerdem wie versprochen nach Uhlendorf begleiten, um auch dort zu helfen.
In den nächsten Stunden konzentrierten sie sich auf die Anmerkungen der Metromedia zu dem aktuellen Auftrag. Die Firma hatte so enge Vorgaben für die visuelle Gestaltung ihrer Kampagne gemacht, dass Kati gar nichts anderes übrigblieb, als ihr eigene Kreativität zu unterdrücken und wieder einmal nach Schema F vorzugehen.
«Das ist wie malen nach Zahlen», erklärte sie, als Flo ihr anerkennend über die Schulter schaute. Auf dem Bildschirm war bereits das Layout der Anzeige zu erkennen.
«Meine Headline ist auch nicht gerade eine Glanzleistung», räumte Flo ein und schenkte ihnen beiden noch Kaffee aus einer Thermoskanne nach.
Genau wie auf sämtlichen Bechern, Kugelschreibern und Bildschirmschonern prangte auch auf der Thermoskanne das Firmenlogo der Agentur. In giftgrünen Lettern stand dort: «perfect dialog», und darunter war eine alberne Graphik mit einem Fragezeichen, gefolgt von einer leuchtenden Glühlampe und einem Ausrufungszeichen zu sehen.
Gero hatte das Logo nach einem Relaunch knapp zwei Jahre zuvor gegen den Widerstand von nahezu der gesamten Belegschaft durchgedrückt. Kati hatte seine Wünsche eins zu eins umsetzen müssen und war mit ihren eigenen Anregungen auf Granit gestoßen. Dennoch hatte Gero eine Versammlung mit allen Mitarbeitern einberufen und zur Abstimmung aufgefordert. Da nur die üblichen Duckmäuser sofort zustimmten, hatte er eine Dreitagesfrist vorgeschlagen, in der jeder einen Gegenvorschlag machen konnte. Und so rottete sich ein kleines Team zusammen, das unter Katis Federführung sehr originelle Entwürfe für die neue Corporate Identity zauberte. Doch als die Gruppe ein neues Meeting zur Abstimmung anberaumen wollte, erklärte Gero die Frist für überschritten. Da hatte er seine Ideen nämlich längst in die Herstellung gegeben.
Von da an war es mit der Stimmung in der Agentur kontinuierlich bergab gegangen. Die allgemeine Finanz- und daraus resultierende Wirtschaftskrise trugen ihr Übriges dazu bei. Darauf folgten die ersten Entlassungen. Doch aufgrund mangelnder Alternativen arrangierte sich Kati bei der Arbeit, so gut es ging. Der einzige Spaß bestand oft darin, über den Chef herzuziehen. Und ohne Flo war auch das nicht vorstellbar.
Es war bereits nach 22 Uhr, als Kati endlich den Druckauftrag abschickte. Ihre Augen brannten vor Müdigkeit.
«Wann willst du denn morgen losfahren?», fragte Flo, die mit ihr ausgeharrt hatte.
«Am liebsten vorm Aufstehen», antwortete Kati mit einem Grinsen. Sie spielte darauf an, dass Flo gern bis mittags im Bett blieb.
«Kein Problem! Dann machen wir die Nacht durch, damit das Aufstehen nicht so hart wird», scherzte Flo und betrachtete den Ausdruck, den Kati ihr jetzt unter die Nase hielt. Sie nickte anerkennend und nahm die Entwürfe entgegen, zu denen sie die Texte geschrieben hatte. Dann heftete sie alles in die Präsentationsmappe, die sie sorgfältig vorbereitet hatte, obwohl das eigentlich Katis Aufgabe war.
«Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll», sagte Kati zerknirscht. «Erst rettest du meinen Job, und jetzt willst du auch noch dein wohlverdientes Wochenende für mich opfern.»
Doch Flo winkte ab. «Du weißt ja, ich wollte schon lange mal in deine kitschige Heideidylle, wo es angeblich noch ungeteerte Straßen gibt.»
Kati lachte laut auf. Flo war tatsächlich ein echter Stadtmensch, in Hamburg geboren und aufgewachsen. Sie konnte sich vermutlich kaum vorstellen, wie es war, in einer Gegend groß zu werden, in der weite Teile der Landschaft unter Naturschutz standen und man dort nicht einmal Auto fahren durfte.
Nachdem sie die Rechner heruntergefahren und die Präsentationsmappe in dreifacher Ausführung auf Geros Schreibtisch gelegt hatten, verließen sie erschöpft, aber zufrieden die Agentur. Sie verabredeten, dass Kati am nächsten Morgen gegen 9 Uhr bei Flo auftauchen und sie abholen sollte.
Als Kati schließlich vollkommen erledigt zu Hause ankam, fiel ihr Blick als Erstes auf den blinkenden Anrufbeantworter. Das Gerät stand auf der Kommode im Flur, und Kati drückte die Wiedergabetaste.
Es war Simon: «Hi, ich bin’s. Tut mir leid, das mit deinem Dad. Hoffe, es geht ihm besser. Grüß ihn schön und schlaf gut.»
Kopfschüttelnd spielte Kati die Nachricht noch einmal ab. Diesmal achtete sie ganz genau darauf, wann der Anruf eingegangen war, nämlich kurz nach
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