Der Himmel über der Heide (German Edition)
Kati wusste es ganz genau: Seit fast zehn Jahren hatte sie ihn nicht mehr gesehen.
Als der Heidehof in Sichtweite kam, spürte Kati, dass Flo sie noch immer fragend ansah und auf eine Erklärung wartete.
«Tut mir leid», murmelte sie angefressen, «ist eine lange Geschichte. Glaub mir, ich habe meine Gründe, warum ich nichts mit diesem Kerl zu tun haben will.»
Kati lenkte den Wagen über die Kieseinfahrt und parkte seitlich des alten Haupthauses unter einer alten Eiche. «Jetzt lass uns erst mal reingehen, okay?»
«Na schön», entgegnete Flo, obwohl die Antwort sie ganz offensichtlich nicht befriedigte.
Doch ihr Blick wurde bereits gefangengenommen von der imposanten Fassade des Heidehofs und den liebevoll gepflegten Blumenbeeten vor dem großen Haus.
Flo schien beeindruckt. «Hier kommst du also her …» Anerkennend pfiff sie durch die Zähne.
Die beiden Frauen stiegen aus und nahmen ihre Taschen aus dem Kofferraum. Durch die grüne Holztür betraten sie den einladenden Flur, der zu den Wirtschaftsräumen führte. Aus der Küche kamen vertraute Geräusche.
«Komm», erklärte Kati und zog Flo hinter sich her. «Ich stelle dich meiner Oma vor.»
Sie ließ ihre Tasche fallen und eilte in die Küche, wo ihre Großmutter gerade eine Torte garnierte. Sie schloss Elli in die Arme.
«Oma, ich hab uns einen richtigen Sonnenschein mitgebracht.» Kati winkte ihre Freundin heran. «Das ist sie: Florentine oder besser gesagt Flo! Sie will sich übers Wochenende bei uns nützlich machen.»
Elli wischte sich ihre Hände ab, um Flo zu begrüßen, und freute sich offensichtlich über den unerwarteten Besuch.
«Herzlich willkommen auf dem Heidehof! Sie sind also die berühmte Freundin meiner Enkelin.»
Kati hatte inzwischen die Küchenhilfe entdeckt, die sich gerade über die Speisekarte beugte. Zum Glück fiel ihr der Name der jungen Frau wieder ein.
«Und das hier ist Sibylle.» Mit einem breiten Lächeln trat die mittelgroße, vollschlanke Frau auf sie zu. Ihr dunkelblonder Pferdeschwanz wippte bei jedem Schritt fröhlich auf und ab, und die kleinen Fältchen um ihre Augen verrieten, dass sie gern lachte.
Flo gab Sibylle die Hand, und auch Elli drehte sich um und fügte noch hinzu: «Ja, ohne sie würde hier alles zusammenbrechen.»
Doch dann scheuchte sie die beiden Neuankömmlinge erst einmal nach draußen.
«Willst du deiner Freundin nicht zuerst den Hof zeigen?», fragte Elli.
Erwartungsvoll sah Flo sie an. Kati zuckte mit den Schultern und zog ihre Freundin hinter sich her.
Im Erdgeschoss lagen die Gaststube, das Frühstückszimmer, das Restaurant, die Waschküche und die Vorratsräume. Staunend registrierte Flo die Tür, hinter der sich die Treppe zum Weinkeller verbarg. In einem kleinen Vorraum der Gaststube war schräg in die Wand eine kleine Tür eingelassen, die zum Öffnen hochgeklappt werden musste.
Nach dem Rundgang durch das Haupthaus führte Kati ihre Freundin über das gesamte Gelände. Sie redete einfach drauflos, erzählte Anekdoten vom Heidehof und darüber, wo sie als Mädchen überall gespielt und später als Teenager die Gegend unsicher gemacht hatte. Sie war erstaunt, wie viel sie noch über die Geschichte des Hofes wusste. So erklärte sie, dass das reetgedeckte, mit Fachwerk versehene Haupthaus eigentlich unvollständig war. Wie bei einem typischen Niedersachsenhaus hatten hier früher Menschen und Tiere gemeinsam unter einem Dach gelebt. Aber Ende des 19. Jahrhunderts war der Teil, der als Stall fungierte, nach einem Blitzeinschlag abgebrannt. Der Wohntrakt blieb glücklicherweise erhalten, und die Brandschäden wurden repariert. Statt des Stalls war eine großzügige Veranda angebaut worden. Von dort aus hatte man direkten Zugang zur Küche, was sich seit der Aufnahme des Gastbetriebs als außerordentlich praktisch erwies.
«Die neuen Stallungen wurden 40 Meter vom Haus entfernt errichtet», erklärte Kati, während sie über den gepflasterten Parkplatz gingen. «Aus Sicherheitsgründen entschied man sich damals für einen massiven Steinbau mit Holzdach. Heute wird er nur noch als Garage und Lagerschuppen genutzt.»
Dann führte sie Flo zu einem alten Häuschen, dessen spitzes Dach aus roten Ziegeln bis zur Erde reichte.
«Hier wurde früher ein Mal in der Woche Brot und manchmal auch Kuchen gebacken», erzählte sie. «Unter dem überstehenden Dach ist Platz für die Holzkloben, mit denen der Ofen über Stunden angeheizt werden musste.»
«Holzkloben?» Flo sah sie
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