Der Himmel über der Heide (German Edition)
erstaunt an. «Mensch, Kati, wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken, du kommst aus einer anderen Welt.»
«Ja, das ist hier ja auch ein ganz anderes Leben.» Sie lachte befreit und registrierte überrascht, wie gut sich dieser kleine Spaziergang anfühlte.
«Also, Backen war damals jedenfalls echte Knochenarbeit», fuhr Kati fort. «Wenn die nötige Hitze erreicht war, wurden Holzreste und Asche aus dem Ofenloch herausgekehrt und der Ofenboden mit einem nassen Tuch gesäubert. Dann wurden die Kuchenbleche reingeschoben. Wenn sie fertig waren und die Hitze etwas nachgelassen hatte, konnten auch die Brotlaibe gebacken werden. So an die 18 Stück passten nebeneinander in den Ofen. Das hat Elli mir mal erklärt.»
Da Flo ihr aufmerksam zuhörte, fuhr Kati fort: «In den meisten Dörfern gab es damals nur einen gemeinsamen Backofen mitten im Dorf. Die Frauen haben dort ihr Brot und auch den Sonntagskuchen gebacken. Aber da der Weidemannhof über einen großen Waldbestand und damit viel Holz verfügte, hat einer meiner Vorfahren einen hofeigenen Ofen gebaut. Leider wird er heute nicht mehr benutzt.»
«Das wäre eine Attraktion!» Flo war begeistert.
Sie gingen weiter zu einem alten Treppenspeicher, einem Lagerraum, der seinen Namen der außen angebrachten Treppe verdankte, die bis zum Giebel reichte. Kati erläuterte: «Diese Art Speicher ist typisch für die Lüneburger Heide.»
«Wieso?»
«Weil die Vorräte so vor Nässe geschützt und dank der Außentreppe mit den hohen Stufen auch vor Mäusen und Ungeziefer aufbewahrt werden konnten. Die Höfe hatten meistens mehrere Treppenspeicher mit unterschiedlichen Funktionen. So wurden Getreide, Buchweizen, Flachs und Wolle, Honig, Speck und anderes Fleisch getrennt voneinander aufbewahrt.»
Um zu testen, ob Flo überhaupt noch zuhörte oder nur so tat als ob, fragte Kati sie, warum die Speicher wohl oft etwas abseits der Höfe standen.
Flo dachte einen Moment lang nach und sagte: «Damit im Falle eines Brandes nicht sämtliche Vorräte vernichtet werden?»
Kati war baff. «Bravo! Damit hast du dir ein Stück Kuchen verdient!»
Sie drehte sich um und bedeutete Flo, ihr weiter in Richtung des ehemaligen Hühnerstalls, der Remise und der alten Scheune zu folgen, wo früher vor allem Holz gelagert wurde.
Als sie schließlich durch den Gemüse- und Kräutergarten und über die Obstbaumwiese zurück zum Hof gingen, seufzte Flo und sagte: «Du bist wirklich im Paradies aufgewachsen, Kati. Das ist traumhaft hier! Ich versteh gar nicht, wieso du hier überhaupt weggegangen bist.»
Verunsichert schaute Kati zu Boden. Sie hatte damals ihre Gründe gehabt, gute Gründe. Aber darüber wollte sie jetzt nicht reden. Eigentlich wollte sie niemals und mit niemandem darüber reden.
«Ah, da ist Elli», sagte sie schnell und winkte ihrer Großmutter zu, die eben aus der Küche auf die Veranda trat.
«Na? War’s schön?», fragte sie und fügte hinzu: «Ihr seid sicher durstig. Setzt euch schon mal, ich bringe euch Holunderblütensaft.»
Kati und Elli suchten sich ein schattiges Plätzchen neben dem Fliederbaum. Über der Pergola an der linken Seite hatte ein uralter Efeu seinen Weg gefunden, und auch die Ranken eines Geißblattes ringelten sich über das Holzgestänge.
«Ich komme mir vor wie die Statistin in einem Heimatfilm», erklärte Flo und setzte sich mit Begeisterung auf eine grün gestrichene Holzbank mit buntem Sitzkissen. «Irgendwie spießig, dafür aber urgemütlich!»
Einen Moment später betrat auch Dorothee die Veranda. Auch sie begrüßte den Gast freundlich, wenn auch sehr viel distanzierter als Elli.
«Kommst du aus dem Krankenhaus? Wie geht es Paps?», erkundigte sich Kati sofort. «Gibt es was Neues?»
Doch Dorothee fertigte sie nur kurz ab. «Er schläft nach wie vor sehr viel und scheint kaum etwas mitzubekommen.»
«Aber was sagen die Ärzte, wie geht es weiter?»
«Übers Wochenende werden wohl keine weiteren Untersuchungen durchgeführt.»
Dorothee nickte Flo noch einmal zu, dann wünschte sie ihnen noch einen schönen Tag. «Ich hab noch etwas Dringendes zu erledigen.»
Kati fand, dass Dorothee seltsam einsilbig war, und sah ihr kopfschüttelnd hinterher.
«Das war also deine berühmt-berüchtigte Stiefmutter», sagte Flo erstaunt. Sie wusste, dass es zwischen Dorothee und Kati nicht zum Besten stand und dass sie kein besonders herzliches Verhältnis hatten.
«Ach, weißt du», seufzte Kati und setzte sich ebenfalls auf die
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