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Der Himmel über Kasakstan

Der Himmel über Kasakstan

Titel: Der Himmel über Kasakstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Auftrag.«
    »Sie sind ein schönes Schwein, Konjew! Ihre Blödheit –«
    »Ich habe mich nur der noch größeren Blödheit gebeugt! Wer hat die Hütte Boborykins zerstören lassen? Wer hat gesagt: ›Nehmen wir den kleinen idiotischen Fedja als Mörder. Ehe es jemand merkt, ist Fedja nicht mehr auf der Welt!‹ Wer hat's gesagt, Genosse? Und wie konnte ich widersprechen, Genosse? Sie sind mein Vorgesetzter. Auf der Parteischule haben wir gelernt: Ein Befehl ist ohne Widerspruch! Der Vorgesetzte hat immer recht – dafür ist er der Vorgesetzte. Ich kam mir vor wie in Deutschland, Genosse –«
    Stephan Tschetwergow legte den Hörer auf.
    Es wurde gefährlich, das wußte er. Das vergeudete Leben von zwei kleinen Menschen – man konnte sie ja zu Reaktionären erklären – war nicht wichtig. Aber es gab in Moskau nichts Schlimmeres als den Begriff Unfähigkeit. Wer unfähig war, sein Amt zu bekleiden, war ebenso gefährlich für den Staat wie ein Trotzkist. Er wurde liquidiert, denn Dummheit ist die Trichine im Leib der Diktatur.
    Tschetwergow unternahm etwas, was abseits aller seiner Pflichten lag: Er besuchte Boris und Svetlana im Gefängnis von Alma-Ata.
    Um dies zu erreichen, erfand er das Märchen vom Testament.
    »Als Iwan Kasiewitsch Borkin erschlagen war«, erzählte er dem Kommissar des NKWD von Alma-Ata, »fanden wir ein Testament, Genosse Gorodny. Wir haben das Haus durchsucht nach Spuren und fanden es in der linken Schublade seines Schreibtisches. In diesem Testament stand: ›Wenn mir etwas zustoßen sollte, bitte ich den Genossen Stephan Stephanowitsch Tschetwergow, sich der kleinen Erna-Svetlana Bergner anzunehmen.‹ Nun war es ihm zugestoßen, Genosse. Aber sein letzter Wille ist mir wie ein Befehl … Sie können Ilja Sergejewitsch Konjew, den Dorfsowjet von Judomskoje fragen. Er hat es auch gelesen.«
    Kommissar Gorodny hatte keine Veranlassung, die Darlegungen eines so bekannten Mannes wie Tschetwergow anzuzweifeln. Nur vom Weltanschaulichen her hatte er rege Bedenken.
    »Ein Testament?« fragte er gedehnt. »Wie kam Borkin dazu, ein Testament zu machen? Das sind doch pseudoreligiöse und bourgeoise Regungen.«
    »Er war eben ein Dichter«, sagte Tschetwergow und hob den Blick an die Decke. »Ein großer Dichter und freund Stalins. Er schwebte in höheren Sphären. Kennen Sie seine Hymne auf den Stahlhammer der Stalingrader Eisenwerke? ›Hammer, Untier, glitzernd saust du nieder auf mein glühend Herz –‹«
    Gorodny winkte ab, schnell, verlegen und emsig. Er hatte Hunger, es war 1 Uhr mittags, und außerdem kannte er weder die Hymne auf den Eisenhammer Borkins, noch interessierte er sich für Dichtung oder gar Lyrik. Seine einzige Freude war es, seine Untersuchungsgefangenen so lange singend im Kreise marschieren zu lassen, bis der letzte umfiel und die Beine und Arme von sich streckte wie ein sterbender Hund.
    »Sie wollen mit Svetlana Bergner sprechen?«
    »Genau das, Genosse. Der Mörder ist ja gefaßt worden. Es war der blöde Fedja von der Datscha Borkins. Man tut Svetlana Unrecht …«
    »Aber dieser Boris Horn hat doch gestanden, daß er Borkin erschlagen hat!«
    »Gestanden! Er hatte Hunger, wollte zu fressen haben und gestand, um in die gute Gefängnisverpflegung zu kommen. Wir kennen das doch, Genosse Gorodny. Im Winter frißt er sich rund, und im Frühjahr, sobald die Sonne scheint, widerruft er alles und hat ein wundervolles Alibi. Er wird dann herauskommen aus dem Gefängnis und bestaunt werden als Märtyrer.« Tschetwergow wischte sich über seinen Tatarenbart. Dabei merkte er, daß er trotz der Winterkälte schwitzte. »Ich werde Svetlana zu einem vernünftigen Geständnis bewegen, Genosse Gorodny. Auch Ihnen bleibt damit viel Arbeit erspart.«
    So kam Stephan Tschetwergow zu seinem Papierchen, das ihn berechtigte, in der Zelle des Gefängnisses mit Boris und Svetlana zu sprechen und sie im Auftrage der Partei zu verhören.
    Es wurde leider eine kurze Unterredung, denn Boris Horn sagte zu allem nein.
    »Ich habe gestanden«, sagte er hart. »Ich lüge nicht. Unseretwegen ist Natascha Trimofa gestorben, verreckt wie eine tollwütige Füchsin! Was kommt, ist die Sühne für alles, was ich getan habe.«
    »Was hast du denn getan, du Idiot?« sagte Tschetwergow erregt. »Du hast ein Schwein abgeschlachtet! Borkin war ein Lump, ein Mädchenschänder, ein Dorn im Fleisch von Mütterchen Rußland. Du hast ihn herausgezogen, den Dorn. Wo ist da Schuld, Genosse Boris? Du mußt nicht

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