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Der Himmel über New York (German Edition)

Der Himmel über New York (German Edition)

Titel: Der Himmel über New York (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Carl
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warte, bis ich seine Schritte auf der Treppe nicht mehr hören kann, erst dann greife ich nach meinem Handy. Es entgleitet mir und fällt mit einem leisen Knacken auf den Parkettboden.
    Stunden später sitze ich immer noch wie festgefroren da. Ich bin von mir selbst erstaunt. Hätte nicht gedacht, dass mir das so viel ausmacht. Aber langsam wird es knapp. Es ist mittlerweile zehn Minuten nach zwei, die Zeit rast und Leroy muss bald zurück sein. Das Handy liegt noch immer dort, wo es auf den Boden gefallen ist, zwischen einer einsamen Insel aus Brotkrümeln und einem bunten Flyer mit den Daten der nächsten Poetry Slams. Daten bis in den September.
    Ich will nicht, dass Leroy ohne meinen Applaus auftritt und ohne meine Punkte. Er braucht mich doch auch. Als ich schließlich zum Handy greife, tue ich es für ihn.
    Mein zukünftiger Exfreund hebt nach dem fünften Klingeln ab. Seine Stimme klingt anders als sonst. Erwartungsvoll. Ein bisschen schrill.
    »Ja, Max hier?«
    »Ich bin’s.«
    »Oh Gott«, sagt er schließlich. Als hätte ich kein Recht mehr auf diese vertraute Begrüßungsformel. Ich kann beinahe hören, wie er sich schief auf die Lippe beißt und zu Boden sieht.
    »Max«, sage ich leise, »das ist doch unwürdig. Können wir das hier nicht hinter uns bringen wie zwei halbwegs erwachsene Menschen?«
    »Das hier«, kommt ein leises Echo aus der Hörmuschel, und ich bin einen Moment lang nicht sicher, ob es wirklich nur ein Echo meiner eigenen Stimme ist oder Max.
    »Das hier?«, höre ich noch einmal, und jetzt bin ich sicher, dass er es ist. »So nennst du es also inzwischen, was wir miteinander haben? Das hier?«
    Ich bin überrascht von seinem verletzten Ton. Eigentlich müsste doch alles klar sein zwischen uns. Wir müssen uns jetzt nur noch gegenseitig gestehen, dass wir uns anderweitig umgeschaut haben, und dann zusammen lachen, und dann kommt noch der Satz mit den guten Freunden.
    »Mann, Max«, sage ich, »so meine ich das nicht. Es ist ja nicht so … ich hab dich ja lieb. Immer noch. Aber du hast es doch auch gemerkt, dass wir …«
    Wenn er es mir beim letzten Mal schwergemacht hat, dann macht er es mir dieses Mal sogar verdammt schwer.
    »Musst eigentlich gar nichts mehr sagen«, höre ich seine Stimme schließlich, seltsam belegt. »Ist mir schon klar, du willst Schluss machen. Und weißt du was, Jenny: Irgendwie habe ich das geahnt, vom ersten Abend an, als du mir von deinen New-York-Plänen erzählt hast. Aber irgendwie wollte ich es auch nicht wahrhaben. Weil ich immer gedacht habe: Du bist so ein Typ, du brauchst Freiheit. Also, was mach ich, wenn ich ein Mädchen liebe? Dann überleg ich mir, was ihr am wichtigsten ist. Und versuch ihr das zu geben. Ich dachte, ich mach dich glücklich. Wenn ich dich nicht einschränke und dir nichts vorschreibe. Und stattdessen …«
    Weint er etwa?
    »Aber, Max«, ich lache angestrengt, »jetzt mal ehrlich, mach doch nicht so ein Drama! Schieß los, du hast mir doch auch was zu sagen, oder?«
    »Dir was zu sagen? Was meinst du jetzt damit?« Er schnieft.
    Ein Gewinde quietscht laut draußen auf der Straße. Das muss der Mann vom Deli gegenüber sein, der seine Markise über die Plastikschälchen voller Obstsalat und Blumensträußen in Glanzpapier kurbelt. Schließlich lache ich nicht mehr.
    »Ja aber …«, stottere ich stattdessen, »hast du denn nicht … ich meine, Mama hat mir erzählt, sie hat dich mit einem Mädchen getroffen, beim Weinfest. Und dann dieser Anruf neulich, als wir auch gerade telefoniert haben … ich war sicher … ich dachte … ich meine, hast du denn nicht auch eine neue Freundin?«
    Meine Beine geben nach. Ich kauere mich auf den Boden zu einem winzig kleinen Päckchen zusammen. Unsichtbar sein, einfach verschwinden. Das wär’s jetzt.
    Es ist still. Verdammt still. Schließlich fragt Max: »Was meinst du mit ›auch‹?«
    Im gleichen Moment höre ich knarzende Schritte auf der Treppe. Einen Schlüssel im Türschloss. Leisen Singsang, als sich ein Türknopf dreht. Die Schritte sind jetzt ganz nah. Lieber Gott, lass das nicht …
    »Du bist gar nicht verliebt?«, frage ich.
    »Nein«, sagt Max leise, »das heißt, ja. In dich. Immer noch.«
    Und dann steht Leroy hinter mir, kniet sich auf den Teppich, schlingt seine Arme um meine Taille, kitzelt mich. Ich schreie auf, versuche, ihn mit meiner freien Hand wegzuschieben.
    »Hör mal«, rufe ich verzweifelt in den Hörer, »das ist alles gar nicht so, wie du denkst.

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