Der himmlische Weihnachtshund
nichts überstürzten wollte – und das war bei Fiona sicher angebracht, musste er seine Hormone unter Kontrolle halten. Deshalb griff er wieder nach seinem Teller und mit der anderen Hand nach der Fernbedienung. »Ich denke, wir sollten uns jetzt auf den Film konzentrieren.« Er blinzelte ihr zu. »Und morgen schickst du mir das Rezept per Email ins Büro.«
»Michael, kann ich dich einen Moment sprechen?« Georg Sahler betrat das Büro seines Sohnes, ohne anzuklopfen.
Keks, die auf ihrem Kissen lag und döste, hob den Kopf und musterte den Besucher. Da sie mit Michaels Vater jedoch bereits Bekanntschaft geschlossen hatte, hielt sie es nicht weiter für notwendig, sich bemerkbar zu machen. Der große, breitschultrige Mann ähnelte Michael äußerlich sehr, war jedoch ruhiger und wesentlich unnahbarer. Sie konnte sich noch nicht entscheiden, ob sie ihn mochte oder nur tolerierte.
Michael hob den Blick von dem Jahresbericht, der ihm bereits am frühen Morgen auf den Schreibtisch geflattert war. Gelesen hatte er ihn allerdings noch nicht, weil seine Gedanken ständig zum Vorabend zurückwanderten. Schon seit einer Ewigkeit hatte er sich nicht mehr so wohlgefühlt wie in Fionas Gegenwart. Sie hatten gemeinsam den Film genossen und viel gelacht. Natürlich waren sie sich dabei auch noch einmal näher gekommen, aber er hatte absichtlich ein wenig auf die Bremse getreten. Er wollte sein Glück nicht herausfordern. Da es im Laufe des Abends zu schneien begonnen hatte, war Fiona über Nacht geblieben, hattejedoch in seinem Gästezimmer geschlafen. Er hatte ihr dieses Arrangement selbst vorgeschlagen, um ihr zu zeigen, dass er nicht darauf aus war, einen schnellen Punktsieg bei ihr zu landen, wie er es insgeheim immer genannt hatte. Tatsächlich war sie die einzige Frau – abgesehen von einigen Verwandten –, die jemals in seinem Gästezimmer übernachtet hatte. Ein Umstand, den er ihr allerdings lieber verschwieg, obwohl sie es sich wahrscheinlich denken konnte. Heute früh hatte er sie mit seinem Wagen bis zu ihrer Wohnung mitgenommen und war dann mit Keks weiter in die Firma gefahren.
Wie besprochen hatte sie ihm schon eine Stunde später die Rezeptur ihrer Hundekuchen zugemailt, die er mit einem entsprechenden Memo direkt an die Forschungsabteilung weitergeleitet hatte. Er hoffte, schon bald erste Ergebnisse vorliegen zu haben, denn er hatte der Angelegenheit oberste Priorität gegeben. Linda hatte sich zwar beschwert, aber wozu war er schließlich Juniorchef, wenn er nicht einmal einen solchen Auftrag geben konnte?
»Worum geht es denn?«, fragte er und wartete, bis sein Vater sich ihm gegenüber in einen der Besuchersessel gesetzt hatte.
Georg Sahler saß aufrecht und trug die ihm typische ernste Miene zur Schau. »Kannst du mir sagen, warum Linda es für notwendig befindet, sich bei mir zu beschweren, weil du ihr einen Testauftrag geschickt hast, der allen anderen derzeitigen Arbeiten vorgezogen werden soll? Du weißt, dass wir die neuen Melassezusätze beim Vogelfutter bis Ende des Monats durchgetestet haben müssen. Ganz zu schweigen von den anhaltenden Schwierigkeiten mit den Verunreinigungen bei der Kolbenhirse. Was ist das für ein Produkt, das du da angeschleppt hast? Hundekekse? Haben wir davon nicht schon drei Sorten im Programm?«
»Ja, haben wir, Vater. Aber diese Rezeptur ist ganz neu – oder besser gesagt anders. Fiona stellt sie schon eine Weile selbst her für ihre Praxis und … «
»Fiona?«, unterbrach Georg ihn mit gerunzelter Stirn. »Wer ist das?«
»Fiona Maier«, bestätigte Michael.
Georg sah ihn erstaunt an. »Etwa die Fiona Maier von damals? Ich dachte, die ist ins Ausland gegangen.«
»Sie lebt seit ein paar Monaten wieder in der Stadt«, korrigierte Michael. »In der Rosenstraße führt sie eine Tierarztpraxis.«
»Ach. Jetzt verstehe ich.« Nachdenklich kräuselte Georg die Lippen.
Michael horchte auf. »Was verstehst du erst jetzt?«
»Weshalb Linda so sauer ist.« Georg verschränkte die Hände ineinander. »Hör mal, Junge, ich will mich ja nicht in deine Privatangelegenheiten einmischen … «
»Oh? Seit wann?«
Auf diesen Einwurf ging Georg nicht ein. »Aber ich finde, du solltest allmählich aufhören, dich von deinen Launen leiten zu lassen. Wenn ich Lindas Kommentare recht einschätze, hast du sie offenbar wegen dieser Fiona abserviert. Ist das korrekt?«
Michael verschränkte die Arme auf seinem Schreibtisch. »Also abserviert würde ich es nicht
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