Der hinkende Rhythmus
Stundenlang war seine Abwesenheit niemandem aufgefallen. Der Fertigbeton, ein Wunder der neuesten Technik, verhärtete schnell. Und so war Cevdet zu einer Statue im Beton geworden.
Alle waren fassungslos. Sie standen einfach da und starrten. Safiye stieß herzzerreißende Schreie aus, zerrte an ihren Haaren, lief immer wieder zum Beton und schlug mit dem Kopf dagegen.
Yunus weinte wie eine Schallplatte mit einem Sprung, pausenlos, aber wirklich ohne die kürzeste Pause, laut und eintönig. Er klimperte nicht einmal mit den Augen; er war wie versteinert.
Und Güldane … Sie hatte den Blick fest auf einen Punkt gerichtet. Die Lippen bewegten sich ununterbrochen, aber kein einziges Wort kam aus ihrem Mund. Sie hatte die Fäuste geballt, ihre Handflächen bluteten schon vom Druck der Fingernägel. Ihr Inneres war erhärtet.
Da fing es an zu regnen; ein plötzlicher, unheilvoller Regen.
Die Nachbarn vom Viertel schlugen vor, zurückzukehren, aber Safiye wollte nicht von Cevdets Seite weichen. Was sie auch sagten, wie lange sie auch sprachen, niemand konnte die Frau von dem Beton losreißen.
Sie beratschlagten lange, bis schließlich jemand auf eine pfiffige Idee kam: Sie würden den Betoncevdet nach Hause bringen.
So entfernten sie, so gut es ging, die Betonreste von seinem Körper und erhielten einen kompakten Cevdet. Er hatte einen Arm hochgestreckt, als wollte er sich irgendwo festhalten. Dieser Anblick verleitete einige der Anwesenden dazu, ihn mit den Statuen von Mustafa Kemal Atatürk zu vergleichen, der den Truppen befahl, zum Mittelmeer zu marschieren. Und alle stimmten stillschweigend zu.
Das brachte sie auf eine noch bessere Idee: Sie wollten den Betoncevdet auf dem Platz mitten im Viertel aufstellen. So würde er immer in der Nähe seiner geliebten Familie bleiben. Und jeder konnte dieses großen Menschen, der ihnen über viele Jahre einen glückseligen Taumel bescherte, jederzeit gedenken. Cevdet würde, wenn man so will, unsterblich werden und bis in alle Ewigkeit in diesem Viertel bleiben.
Der Vorschlag wurde mit Begeisterung aufgenommen. Es gab keine einzige Widerrede. Auf der Stelle mietete man einen Kleintransporter und Cevdet wurde auf die Transportfläche geladen. Der Bezirksvorsteher übernahm die Aufgabe, alle Formalien zu erledigen.
Unter starkem Regen setzte sich die schwere Last des Wagens langsam in Bewegung. Zu Fuß folgten Safiye, Yunus und Güldane und hinter ihnen alle anderen. Jeder, der Gras dabei hatte, rauchte. Die Kolonne hinterließ eine Haschischwolke und lief und lief und lief, und der älteste Rabe Istanbuls begleitete sie, und der Himmel weinte über diesen armen Toten. Seit ihrem Bestehen hatte diese Stadt noch nie einen so trostlosen Trauermarsch gesehen.
Nach zweieinhalb Stunden erreichten sie das Viertel. Sie verabredeten sich auf Punkt zwölf für die feierliche Aufstellung Cevdets und zogen sich in ihre Häuser zurück. Das Denkmal blieb unter einer Decke auf dem Kleintransporter liegen.
Um Mitternacht waren alle auf dem Platz versammelt, in ihren schönsten Kleidern, die Männer glattrasiert, die Frauen mit geflochtenen Haaren und Tüchern auf den Schultern. Während sich die Nachbarn in ihren Häusern in Schale geworfen hatten, hatte der Automechaniker Muharrem, auf den Cevdet mit dem Messer eingestochen hatte, seine ganze Kunstfertigkeit bewiesen. Er hatte das Denkmal mit feinen Hammerschlägen bearbeitet und Cevdet noch mehr herausgeputzt. Um den Platz herum waren an die zwanzig Tamburinspieler aufgereiht, alle in Anzügen, mit Schlips und in weißen Hemden. Mit größerer Sorgfalt, als sie Kapellen der diszipliniertesten Armeen an den Tag legen können, schlugen sie im gleichen Augenblick auf ihre Trommeln. Jede Träne Safiyes wurde von einer Note begleitet. Fünf junge Männer, die im gleichen Rhythmus schritten, luden das zugedeckte und von Muharrem überarbeitete Betondenkmal von der Ladefläche ab. Diesen Sarg, der verlässlicher und schwerer war als alle Särge der Welt, trugen sie langsam in die Mitte des Platzes. Der Älteste unter den Anwesenden erklärte, was für ein verlässlicher Mann Cevdet war und dass er für alle Ewigkeit so verlässlich bleiben werde und jeder in diesem Viertel und in dieser Stadt und in diesem Land und vielleicht sogar auf dieser Welt, jeder, der einen gut benebelten Kopf hatte, Cevdet irgendwie etwas zu verdanken habe, dass man ihm seine Verdienste nie genug vergelten könne, dass er in der Mitte dieses Viertels bis in alle
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