Der Hintermann
auf die Taktik der vorigen Regierung erreicht worden. »Die Bedrohung hat sich verändert«, sagte er, »und wir uns mit ihr.«
Am folgenden Morgen brachten New York Times und Washington Post lange Berichte über diesen Triumph der amerikanischen Geheimdienste und Sicherheitsbehörden, die nach jahrelangen Ermittlungen im In- und Ausland zugeschlagen hatten. Außerdem lobten beide Blätter in Leitartikeln den Präsidenten für seine »fürs einundzwanzigste Jahrhundert beispielhafte Vision im Kampf gegen den globalen Terrorismus«, und in den abendlichen Talkshows wirkten die Vertreter der Oppositionspartei entmutigt. Der Präsident habe mehr getan, als nur ein gefährliches Terrornetzwerk zu eliminieren, sagte ein angesehener Kommentator. Er habe sich soeben weitere vier Jahre im Amt gesichert. Das Rennen für 2012 sei gelaufen. Es werde Zeit, an 2016 zu denken.
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T HE P ALISADES , W ASHINGTON , D.C.
Am selben Abend berief der CIA-Direktor die Mitarbeiter zu einer Motivationsveranstaltung in die »Blase« – Langleys futuristisches Auditorium – ein. Ellis Coyle zog es vor, nicht daran teilzunehmen. Solche Veranstaltungen, das wusste er, waren so vorhersehbar wie daheim mit Norah verbrachte Abende. Es würde das übliche Gefasel über erneuerten Stolz und eine Agency im Aufwind geben – eine Agency, die in einer Welt ohne die Sowjetunion endlich ihren Platz gefunden hatte. Genau das hatte Coyle schon von sieben früheren Direktoren gehört, von denen jeder die CIA schwächer und schlechter funktionierend als bei seinem Amtsantritt zurückgelassen hatte. Durch die Abwanderung von guten Leuten und die Reorganisation der US-Geheimdienste geschwächt, war die Agency ein rauchender Trümmerhaufen. Selbst Coyle, ein professioneller Heuchler, konnte nicht in der Blase sitzen und so tun, als bräche mit der Verhaftung von achtzig oder hundert Terroristen eine bessere Zeit an – vor allem nicht, weil er wusste, wie dieser Durchbruch zustande gekommen war.
Auf der Canal Road hatte es einen Unfall mit vier Fahrzeugen gegeben. Deshalb konnte Coyle auf der Heimfahrt Atlas wirft die Welt ab zu Ende hören. Bei seiner Ankunft in The Palisades strahlte Roger Blankmans Villa in ihrem vollen Lichterglanz, als gehöre sie dem Großen Gatsby, und entlang der schmalen Straße parkten Dutzende von Luxuslimousinen. »Er gibt wieder eine Party«, sagte Norah, als Coyle sie lieblos küsste. »Irgendeine Benefizveranstaltung.«
»Deswegen sind wir wohl nicht eingeladen worden.«
»Sei nicht kleinlich, Ellis. Das steht dir nicht.«
Sie kippte noch zwei weitere Fingerbreit Merlot in ihr Glas, während Lucy mit der Hundeleine in der Schnauze in die Küche kam. Coyle befestigte sie pflichtbewusst an ihrem Halsband und brach mit dem Neufundländer zum Battery Kemble Park auf. Am Fuß des Holzschilds war ein kleiner Kreidepfeil zu sehen, der von links oben nach rechts unten führte. Er bedeutete, dass im toten Briefkasten Nummer drei eine Nachricht für ihn lag. Coyle rieb das Zeichen mit der Schuhspitze weg und betrat den Park.
Unter den Bäumen war es dunkel, aber Coyle brauchte keine Taschenlampe, er kannte den Fußweg, wie ein Blinder die Straßen im Umkreis seiner Wohnung kennt. Vom MacArthur Boulevard aus führte er noch wenige Schritte eben weiter, bevor er dem Hügel folgend steil anstieg. Oben auf der Kuppe befand sich eine Lichtung, auf der einst die Hundertpfünder der alten Batterie gestanden hatten. Rechts davon plätscherte ein kleiner Bach, über den eine hölzerne Fußgängerbrücke führte. Der tote Briefkasten Nummer drei lag gleich hinter der Brücke unter einer umgestürzten Eiche. Er war schwer zu erreichen, vor allem für einen Mann in mittleren Jahren mit Rückenproblemen, aber nicht für Lucy. Sie fand zu seinen toten Briefkästen allein aufgrund des Klangs ihrer ausgesprochenen Nummern und konnte jeden sekundenschnell leeren. Und solange das FBI keine Möglichkeit fand, Hunde zu befragen, konnte sie nicht in den Zeugenstand gerufen werden. Lucy war die ideale Feldagentin: clever, agil, furchtlos und unbeirrbar treu.
Coyle machte kurz halt und horchte nach Schritten oder Stimmen. Als er nichts hörte, schickte er Lucy los, um den Briefkasten Nummer drei zu leeren. Sie flitzte in den Wald, ihr schwarzes Fell verschmolz mit der Dunkelheit und macht sie so gut wie unsichtbar, und platschte durch den Bach. Im nächsten Augenblick kam sie mit einem kurzen Aststück in der Schnauze das Bachufer herauf zurück und
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