Der Hintermann
McKenna sich ein, dass sie prächtig funktionieren, seit er die oberste Leitung übernommen hat. Er hat es sogar geschafft, sich zum Vorsitzenden unserer neuen Vernehmungsgruppe für wichtige Gefangene ernennen zu lassen. Wird irgendwo auf der Welt ein Top-Terrorist geschnappt – egal unter welchen Umständen –, leitet James A. McKenna dessen Vernehmung. Das ist gewaltig viel Macht in den Händen eines Einzelnen, selbst wenn er kompetent wäre. Aber in diese Kategorie fällt McKenna leider nicht. Er ist ehrgeizig, er hat die besten Absichten, aber er weiß nicht, was er tut. Und wenn er nicht aufpasst, kommen wir durch seine Schuld irgendwann alle um.«
»Klingt bezaubernd«, sagte Gabriel. »Wann lerne ich ihn kennen?«
»Nie.«
»Wozu bin ich dann hier, Adrian?«
»Sie sind wegen Paris, Kopenhagen und London hier.«
»Wer hat die Anschläge verübt?«
»Eine neue al-Qaida-Zelle«, sagte Carter. »Aber mit Unterstützung eines Mannes, der in der Welt der westlichen Geheimdienste eine wichtige Machtposition innehat, fürchte ich.«
»Wer?«
Carter schwieg. Seine rechte Hand zitterte.
12
G EORGETOWN , W ASHINGTON , D.C.
Sie zogen sich auf die Terrasse hinter dem Haus zurück, wo sie auf schmiedeeisernen Stühlen an der Balustrade saßen. Carter sah zu den grauen Türmen hinüber, die erhaben hinter der Georgetown University aufragten. Paradoxerweise sprach er dabei von einem erbärmlichen Armenviertel in San Diego, in dem an einem Tag im Sommer 1999 ein junger jemenitischer Geistlicher namens Raschid al-Husseini eintraf. Mit Geld von einer saudi-arabischen Wohltätigkeitsorganisation wandelte er ein heruntergekommenes Ladengeschäft in eine Moschee um und machte sich auf die Suche nach einer Gemeinde. Diese trieb er überwiegend in der San Diego State University auf, wo er eifrige Anhänger unter arabischen Studenten fand, die nach Amerika gekommen waren, um der erstickenden gesellschaftlichen Unterdrückung in ihren Heimatländern zu entgehen, nur um sich in der Ghurba , der Fremde, rat- und orientierungslos wiederzufinden. Raschid war perfekt dafür, ihr Führer zu sein: Der einzige Sohn eines ehemaligen jemenitischen Ministers war in Amerika geboren, beherrschte umgangssprachliches Amerikanisch und besaß einen US-Reisepass, auf den er jedoch nicht sonderlich stolz war.
»Alle möglichen Streuner und verlorenen Seelen haben sich in Raschids Moschee eingefunden, darunter auch zwei Saudi-Araber namens Chalid al-Mihdhar und Nawaf al-Hasmi.« Carter sah zu Gabriel hinüber und fügte hinzu: »Diese Namen kennen Sie doch wohl?«
»Sie waren zwei der gewaltbereiten Entführer von American Flight 77, die Osama bin Laden persönlich ausgesucht hatte. Nachdem sie im Januar 2000 in Kuala Lumpur an der Planung des Anschlags teilgenommen hatten, hat das Bin-Laden-Team der CIA es geschafft, sie aus den Augen zu verlieren. Später wurde festgestellt, dass die beiden nach Los Angeles geflogen waren und sich vermutlich noch in den Vereinigten Staaten aufhielten – eine Tatsache, die Sie dem FBI mitzuteilen versäumt haben.«
»Zu meiner ewigen Schande«, gab Carter zu. »Aber dies ist keine Geschichte von al-Mihdhar und al-Hasmi.«
Stattdessen handle die Geschichte von Raschid al-Husseini, fuhr Carter fort, der in der islamischen Welt bald in dem Ruf stand, ein begnadeter Prediger zu sein, dem Allah eine wunderbar verführerische Beredsamkeit geschenkt hatte. Seine Predigten fanden nicht nur in San Diego, sondern auch im Nahen Osten, wo sie auf Tonband verbreitet wurden, begeisterte Zuhörer. Im Frühjahr 2001 bekam er einen Posten in einem einflussreichen islamischen Zentrum in der Nähe von Washington, D.C., angeboten: in Falls Church, Virginia. Schon bald betete Nawaf al-Hasmi dort gemeinsam mit einem jungen Saudi-Araber namens Hani Hanjour.
»Wie es der Zufall will«, sagte Carter, »steht die Moschee an der Leesburg Pike. Biegt man nach links auf die Columbia Pike ab und fährt ein paar Meilen weiter, stößt man auf die Westfassade des Pentagons. Genau das hat Hani Hanjour am Morgen des 11. Septembers gemacht. Raschid al-Husseini war zu diesem Zeitpunkt in seinem Büro. Er hat das Flugzeug einige Sekunden vor dem Aufschlag über sich hinwegfliegen gehört.«
Das FBI habe die Verbindung zwischen al-Hasmi, Hanjour und der Moschee in Falls Church rasch hergestellt, sagte Carter, und die Medien hatten nicht lange gebraucht, um Raschids Tür zu belagern. Sie trafen einen wortgewandten und aufgeklärten
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