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Der Hintermann

Der Hintermann

Titel: Der Hintermann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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jungen Geistlichen an, der die Anschläge vom 11.   September ohne Einschränkung verurteilte und seine Glaubensbrüder aufforderte, allen Formen von Gewalt und Terrorismus zu entsagen. Das Weiße Haus war von dem charismatischen Imam so beeindruckt, dass er mit mehreren anderen muslimischen Geistlichen und Gelehrten zu einem Meinungsaustausch mit dem Präsidenten eingeladen wurde. Das Außenministerium glaubte, Raschid al-Husseini könnte ein perfekter Brückenbauer zwischen Amerika und der halben Milliarde skeptischer Muslime sein. Die Agency hatte jedoch eine andere Idee.
    »Wir dachten, Raschid könnte uns helfen, ins Lager unserer neuen Feinde einzudringen«, sagte Carter. »Aber bevor wir einen Anwerbeversuch starten konnten, mussten wir ein paar Fragen klären. War er irgendwie in das Komplott vom 11.   September verwickelt – oder war sein Kontakt zu den drei Entführern reiner Zufall? Unter der Annahme, an seinen Händen klebe viel amerikanisches Blut, haben wir ihn aus jedem nur denkbaren Blickwinkel unter die Lupe genommen. Wir haben uns die zeitlichen Abläufe genau angesehen. Wir haben überprüft, wer wann wo war. Und zuletzt sind wir zu dem Schluss gekommen, Imam Raschid al-Husseini sei clean.«
    »Und dann?«
    »Wir haben jemanden nach Falls Church entsandt, um feststellen zu lassen, ob Raschid bereit sei, seinen Worten Taten folgen zu lassen. Seine Reaktion war positiv. Also haben wir ihn am folgenden Tag abgeholt und an einen sicheren Ort in der Nähe der Grenze zu Pennsylvania gebracht. Und dort hat die eigentliche Aktion begonnen.«
    »Sie haben den Bewertungsprozess nochmals aufgerollt.«
    Carter nickte. »Nur hat der zu Befragende diesmal vor uns gesessen und war an einen Lügendetektor angeschlossen. Wir haben ihn drei Tage lang vernommen, haben seine Vergangenheit und seine Verbindungen genauestens überprüft.«
    »Und seine Story hat standgehalten.«
    »Er hat glänzend bestanden. Also haben wir unseren Vorschlag auf den Tisch gelegt – und als Anreiz einen Haufen Geld dazu. Was wir wollten, war ganz einfach. Raschid würde die islamische Welt bereisen, Toleranz und Mäßigung predigen und uns gleichzeitig die Namen möglicher Anwerbungskandidaten nennen. Außerdem sollte er Ausschau nach zornigen jungen Männern halten, die für den Sirenengesang der Dschihadisten empfänglich zu sein schienen. Nach einem erfolgreichen Probelauf im Inland, den wir in enger Zusammenarbeit mit dem FBI überwacht haben, haben wir ihn international eingesetzt.«
    Von einem überwiegend muslimischen Viertel in East London aus reiste Raschid al-Husseini in den folgenden drei Jahren kreuz und quer durch Europa und den Nahen Osten. Er sprach auf Konferenzen, predigte in Moscheen und gab beflissenen Journalisten bereitwillig Interviews. Er verurteilte Bin Laden als Mörder, der sich gegen Allahs Gebote und die Lehren des Propheten versündige. Er erkannte das Existenzrecht Israels an und forderte Friedensverhandlungen mit den Palästinensern. Er verurteilte Saddam Hussein als gänzlich unislamisch, verzichtete aber auf Anraten seiner Führungsoffiziere darauf, den amerikanischen Einmarsch im Irak zu begrüßen. Seine Äußerungen stießen nicht immer auf Zustimmung, und seine Aktivitäten blieben nicht auf die physische Welt beschränkt. Mit Unterstützung der CIA betrieb Raschid eine eigene Homepage, auf der er der dschihadistischen al-Qaida-Propaganda entgegenzuwirken versuchte. Besucher seiner Seite wurden identifiziert und bei ihren weiteren Bewegungen im Cyberspace verfolgt.
    »Das Unternehmen galt als unser erfolgreichster Versuch, in eine Welt einzudringen, die uns bis dahin weitgehend überschaubar erschienen war. Raschid al-Husseini hat seinen Führungsoffizieren in regelmäßigen Abständen die Namen von guten Kerlen und potenziell schlechten Kerlen geliefert. Er hat ihnen sogar Tipps zu einigen geplanten Unternehmen gegeben. In Langley waren alle stolz darauf, wie clever wir gewesen waren. Wir dachten, so würde es ewig weitergehen. Aber es hat ziemlich abrupt aufgehört.«
    Der Ort des Geschehens war passenderweise Mekka. Raschid war eingeladen worden, an der dortigen Universität zu sprechen – eine hohe Ehre für einen Geistlichen, der das Unglück hatte, einen amerikanischen Pass zu besitzen. Weil Mekka für Ungläubige gesperrt war, blieb der CIA nichts anderes übrig, als ihn allein hinreisen zu lassen. Er flog von Amman nach Riad, traf dort zum letzten Mal mit einem seiner Agentenführer

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