Der Hintermann
zu lange.«
»Geduld ist eine Tugend, Adrian.«
»Nicht in Washington. Wir erledigen am liebsten alles so schnell wie möglich.«
»Haben Sie eine bessere Idee?«
Durch beredtes Schweigen gab Carter zu erkennen, dass er keine hatte. »Ein interessanter Ansatz«, gab er zu. »Besser gesagt, es ist höllisch genial. Wenn wir tatsächlich zum Hauptgeldgeber von Raschids Netzwerk werden …«
»Dann würde es uns gehören , Adrian.«
Carter klopfte seine Pfeife an der Seite der Bank aus und stopfte sie bedächtig neu. »Kommen Sie, wir wollen auf dem Teppich bleiben. Dieses Gespräch ist wertlos, wenn es Ihnen nicht gelingt, einen bei den Dschihadisten angesehenen reichen Muslim zum Mitmachen zu bewegen.«
»Ich habe nie behauptet, dass das einfach wird.«
»Aber Sie haben offenbar schon einen Kandidaten im Sinn.«
Gabriel sah zum Basketballfeld hinüber, an dessen Rand einer von Carters Bodyguards langsam auf und ab ging.
»Was ist los?«, fragte Carter. »Sie trauen mir nicht?«
»Es geht nicht um Sie, Adrian. Sondern um die weiteren achthunderttausend Leute in Ihren Geheimdiensten, die Zugang zu streng geheimem Material haben.«
»Wir wissen, wie man Informationen auf einen kleinen Empfängerkreis beschränkt.«
»Erzählen Sie das Ihren Freunden und Verbündeten, die Ihnen gestattet haben, auf ihrem Gebiet Geheimgefängnisse einzurichten. Denen haben Sie bestimmt versprochen, das Programm bleibe strikt geheim. Aber damit war’s leider nichts. Die Washington Post hat auf ihrer Titelseite darüber berichtet.«
»Ja«, sagte Carter verdrießlich. »Darüber habe ich mal was gelesen, befürchte ich.«
»Die Person, an die ich denke, kommt aus einem Land, das zu Ihren engen Verbündeten gehört. Würde jemals bekannt, dass diese Person mit uns zusammenarbeitet …« Gabriel brachte den Satz nicht zu Ende. »Ich will nur sagen, dass der Schaden nicht auf einen peinlichen Zeitungsbericht beschränkt bliebe. Es würden Leute sterben, Adrian.«
»Erzählen Sie mir wenigstens, was Sie als Nächstes vorhaben.«
»Ich muss eine Freundin in New York besuchen.«
»Kenne ich sie?«
»Nur dem Namen nach. Früher war sie die beste investigative Journalistin beim Financial Journal in London. Jetzt arbeitet sie bei CNBC.«
»Wir haben eine Vorschrift, die eine Zusammenarbeit mit Journalisten verbietet.«
»Aber wir nicht. Und wie wir beide wissen, ist dies ein israelisches Unternehmen.«
»Seien Sie dort oben bloß vorsichtig. Wir wollen nicht in die Abendnachrichten kommen.«
»Weitere nützliche Ratschläge?«
»Das Geschwätz, das wir mithören, könnte harmlos oder irreführend sein«, sagte Carter und stand auf. »Aber … vielleicht auch das genaue Gegenteil.«
Er wandte sich ohne ein weiteres Wort ab und ging von dem Sicherheitsbeamten gefolgt zu seinem Escalade zurück. Gabriel blieb auf der Bank sitzen und sah zu, wie die kinderlose Schaukel im Wind hin und her schwang. Einige Minuten später verließ auch er den Volta-Park und folgte der leicht abfallenden Thirty-fourth Street nach Süden. Zwei Motorräder, die von schlanken jungen Männern mit schwarzen Sturzhelmen gefahren wurden, rasten an ihm vorbei und verschwanden in der Dunkelheit. Im selben Augenblick blitzte in Gabriels Erinnerung ein Bild auf: eine verzweifelte schwarzhaarige junge Frau, die auf dem Quai Saint-Pierre in Cannes neben dem Leichnam ihres Vaters kniete. Der Lärm der Motorräder verhallte so rasch, wie die Erinnerung an diese Frau sich auflöste. Gabriel vergrub die Hände in den Jackentaschen und ging weiter, ohne an etwas Bestimmtes zu denken, während die Bäume Blätter aus Gold weinten.
20
T HE P ALISADES , W ASHINGTON , D.C.
Zur selben Zeit hielt in dem Washingtoner Vorort The Palisades ein Auto am Randstein vor einem mit Schindeln verkleideten Haus. Der Wagen, ein Ford Focus, gehörte wie das Holzhaus einem gewissen Ellis Coyle von der CIA. Das Häuschen, eher ein Cottage als ein Stadthaus, hatte Coyles Finanzen bis an die Grenzen belastet. Nach vielen Jahren im Ausland hatte er in einer der erschwinglichen Gemeinden im Norden Virginias sesshaft werden wollen, aber Norah hatte auf dem District of Columbia bestanden, um ihrer Praxis näher zu sein. Coyles Frau war Kinderpsychologin – eine seltsame Berufswahl, hatte er schon immer gefunden, für eine Frau, die selbst keine Kinder bekommen konnte. Ihr angenehmer Weg zur Arbeit, ein nur vier Blocks weiter Spaziergang auf dem MacArthur Boulevard, stand in krassem
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