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Der Höllenbote (German Edition)

Der Höllenbote (German Edition)

Titel: Der Höllenbote (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lee
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wusch sich in dem fleckigen Waschbecken das Gesicht, als könne er damit die Gräuel seiner Träume und Visionen abwaschen. Er fühlte sich beschmutzt, kontaminiert von diesen Wahrheiten, die nur so wenigen enthüllt wurden.
    Aber nie verlor er seinen Glauben.
    Ein Klicken in seinem Kopf; rasch schaute er auf, erblickte sein Gesicht im Spiegel und sah Wasser von seinem Bart tropfen. Er sah aus wie Rasputin, triefnass, als hätte man seine Leiche gerade aus der Dwina gezogen. Der vertraute, aber stets aufs Neue seltsame Laut knarrte in seinem Kopf, wie eine ungeölte Türangel, gefolgt von einem leisen, knochenartigen Knack!
    Er konnte sie draußen sehen.
    Dhevic seufzte. Er war groß, aber körperlich nicht besonders stark. Er hatte keine Waffen. Aber er brauchte das Fahrzeug, das seine Gönner ihm zur Verfügung gestellt hatten. Wenn ich die Polizei rufe, ist der Wagen weg oder ausgeschlachtet, bis sie hier sind ...
    Und es ist ein verdammt netter Geländewagen!
    Er hatte nur eine Möglichkeit: Er musste sie zur Rede stellen.
    Ich bin ein Empfänger von Prophezeiungen, kein Krieger ... Er trocknete sich das Gesicht ab, zog seine schwarze Jacke an und öffnete die Tür des Motelzimmers.
    Abschaum war das Wort, das sie am besten beschrieb. Dhevic wusste, was sie dazu gemacht hatte: Schläge und Missbrauch, ein katastrophales häusliches Umfeld in der Kindheit, Armut, womöglich auch nur schlechter Einfluss. Aber Abschaum blieben sie trotzdem. Sie waren konzentriert damit beschäftigt, mit einem umgebogenen Drahtkleiderbügel an der Fahrertür von Dhevics brandneuem silbernen Ford Explorer herumzufummeln.
    Sie waren noch keine 20, wie Dhevic erkannte. Der eine war schwarz, der andere weiß. Stoppelschnitt und Lippen-Piercings. Lange Schlabberhosen, die Bünde der Unterhosen sichtbar, die Schnürsenkel ihrer Turnschuhe baumelten auf den Boden. Kein Stil, den Dhevic kannte. Ihre Oberkörper waren nackt und wiesen eine beeindruckende Kollektion von Tattoos auf.
    »Bitte hört auf damit. Geht. Ich brauche den Wagen dringender, als ihr euch vorstellen könnt.«
    Die beiden Jungs blickten auf, völlig unbeeindruckt von Dhevics Körpergröße.
    »Verpiss dich, Mann. Wir machen dich kalt«, drohte der Schwarze.
    Der Weiße zückte eine kleine Pistole.
    »Lass uns das Arschloch auf jeden Fall killen ...«
    Sie lachten. Der weiße Junge zielte mit der Pistole auf Dhevic, während der schwarze weiter mit dem Drahtbügel im Spalt der Tür fischte. »Scheiß auf diese Scheiße, Mann«, schimpfte der Schwarze und warf Dhevic einen überheblichen Blick zu. »Gib mir die Schlüssel!«
    Dhevic konnte riechen, was sie beide dachten: Jetzt, da er sie gesehen hatte, mussten sie ihn töten, damit er der Polizei nicht ihre Beschreibung geben konnte. Sie werden mich mit vorgehaltener Waffe zum Einsteigen und Fahren zwingen und mich dann in einer Seitengasse erschießen.
    »Schlüssel, Mann«, wiederholte der Weiße. »Sofort!«
    »Nein«, sagte Dhevic. »Geht bitte weg.«
    Die Jungs tauschten einen ungläubigen Blick. »Alter, was ist nur mit den Leuten los? Is’ das zu glauben?«
    »Nee, isses nicht.«
    »Hey, Kumpel? Weihnachtsmann?« Der Weiße richtete die Waffe auf Dhevics Gesicht. »Hör mir mal zu, Motherfucker: Du gibst mir jetzt deine Schlüssel oder ich mach dich so was von platt!«
    Dhevic stand unbeweglich da, mit weit geöffneten Augen. »Schau!«, sagte er nur.
    Der weiße Junge starrte direkt in Dhevics Augen.
    »Siehst du?«, fragte Dhevic ihn ruhig. »Sieh genau hin ...«
    Die Gesichtszüge des Jungen entgleisten. Die Pistole senkte sich und er ging in die Knie. Aber er konnte seinen Blick nicht von Dhevics Augen abwenden.
    »Siehst du sie?«, fragte Dhevic. Er trat näher, trug seinen Blick wie eine Waffe vor sich her. »Ich kann sie nicht sehen. Sie winkt dir zu, nicht wahr? Warte, ich zeig dir noch mehr.«
    »Nein!«, schrie der Junge. Tränen liefen über sein Gesicht. »Ich will nicht mehr sehen! Hör auf!« Er versetzte der Pistole einen Stoß und sie schlitterte zu Dhevic. Mit zitternder Hand griff er in seine Tasche und schleuderte Dhevic ein Bündel Banknoten entgegen. Dann verbarg er das Gesicht in den Händen und schluchzte ungehemmt los.
    » Machst ’n da?«, schrie der Schwarze.
    »Ich-ich-ich hab grad meine Mutter gesehen ...«
    »Was is’ los?«
    »Er hat mich meine Mutter sehen lassen!«, weinte der Junge.
    »Was laberst du da für ’n Scheiß, Alter? Deine Mutter ist tot! «
    »Nein«, widersprach

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