Der Höllenbote (German Edition)
Dhevic. »Sie ist sehr lebendig. Nur woanders. Für immer.«
Schluchzend und keuchend krabbelte der weiße Junge auf Händen und Knien davon.
Der Blick des Schwarzen zuckte zwischen seinem Kumpan und Dhevic hin und her. Sein Gesicht spiegelte die unterschiedlichsten Gefühle wider, während er versuchte, seine Furcht und Verwirrung zu verbergen. Zuletzt blieb sein Blick auf Dhevic haften, der ihm jetzt viel respekteinflößender erschien, und frustriert klopfte er seine Taschen ab.
»Keine Waffe?«, ätzte Dhevics Stimme. Neben seinen Füßen lag die Pistole; er kickte sie dem schwarzen Jungen zu. »Aber bevor du sie aufhebst – schau her.«
Das herausfordernde Starren des Jungen geriet ins Wanken. Dhevic trat einen Schritt näher und hielt seinen Blick unverwandt auf das Gesicht seines Gegners gerichtet. »Was ist mit dir? Möchtest du gern deine Schwester sehen?«
Ihre Blicke trafen sich.
»Sie heißt – wie? Jerrica? Erika? So ungefähr? Schau her. In meine Augen. Schau her und du wirst sie sehen.« Seine Stimme bearbeitete den Jungen wie raues Sandpapier. »Schau her und sieh, was sie mit ihr tun ...«
Dem Jungen klappte die Kinnlade herunter, seine Lippen zitterten. Das, was er sah, schien sogar seine Augen zum Zittern zu bringen. »Aufhören, aufhören«, murmelte er.
» Du warst es doch, der sie den Junkies ausgeliefert hat«, sagte Dhevic. Er sagte es, weil er es wusste. Er wusste nichts, aber er wusste alles. »Es gehörte zu einem Deal, nicht wahr? So eine Art Initiationsritus. Na ja, und das macht sie jetzt. Sie wird auch bald sterben und dann am selben Ort sein wie die Mutter deines Freundes – aber das spielt keine Rolle. Schau hin. Schau hin!«
»Nein. Oh Gott. Bitte!«
»Und jetzt Twanna«, fuhr Dhevic fort. »Deine erste Freundin, stimmt’s? Sie ist tatsächlich schon am selben Ort wie die Mutter deines Freundes. Du hast ihr alles gezeigt – sehr effektiv. Schau her. Sieh sie dir an ...«
Der Junge fiel auf die Knie und übergab sich. Genau wie bei seinem Kumpel brachten die grauenvollen Visionen ihn hemmungslos zum Schluchzen.
»Diese Kreaturen, die sie auffressen, heißen Zahnfüßler, eine Spezies von Kakodämonen der unteren Grade. Jede Nacht fressen sie sie und würgen sie wieder aus, und in der nächsten Nacht fangen sie von vorn an. Das gehört zum Unterhaltungsprogramm für den Hof des Großherzogs de Rais. Natürlich vergewaltigt sie vorher der gesamte Hofstaat. Twanna ist jetzt unsterblich. So wird sie die Ewigkeit verbringen. Warte, ich zeig dir noch deinen Bruder ...«
»NEIN!« Der Junge kam taumelnd auf die Beine, wie ein schlanker Baum im Sturm. Mit weit aufgerissenen Augen griff er nach der Pistole auf dem Boden und richtete sie auf seine Schläfe.
»Tu das nicht«, sagte Dhevic ruhig. »Du musst begreifen, dass du noch immer eine Chance hast, genau wie dein Freund. Vergiss das nie, ebenso wie das, was du heute Nacht gesehen hast.« Dhevic schenkte dem Jungen ein selbstloses Lächeln. »Wer weiß schon, was die Zukunft für einen bereithält?«
Der Junge ließ die Waffe fallen und richtete sich erschüttert auf. Genau wie der andere wühlte er in seinen Taschen und warf Dhevic etwas Geld zu. »Bitte. Aufhören.«
»Geh jetzt. Such deinen Freund und sag ihm dies: O sende dein Licht und deine Wahrheit, auf dass sie mich leiten. «
Der Junge schluchzte, als er davonwankte.
Dhevic seufzte erleichtert. Ganz schön anstrengend! Er lachte leise und ließ seinen Blick über die Front des Motels schweifen. Niemand war Zeuge dieser bizarren Konfrontation geworden. Schnell steckte er die Pistole weg und sammelte das Geld vom Boden auf.
Das ist nicht gerade wenig. Nun, Gottes Wege sind unergründlich.
Er stopfte das Geld in seine Jackentasche und überquerte die Hauptstraße, um sich bei Denny’s ein Omelett zu gönnen.
Kapitel 9
(I)
Mit Einbruch der Nacht wurde es ruhig. Der Mond hing groß und tief am Himmel. Eine angenehme Brise wehte von der Bucht herüber und vertrieb einen Teil der Schwüle. Grillen zirpten und ließen in ihrem Chor den Abend pulsieren. Jane fühlte sich eingelullt.
Aber noch immer war sie im Unreinen mit so vielen Sachen, mit so einigem, das sie nicht verstand.
Sie saß auf der hinteren Veranda, geschützt vor den Mücken, und ließ sich mit ihren Gedanken treiben, so verworren sie auch sein mochten. Die nächtliche Brise drang durch die Fliegengitter und spielte mit ihren Haaren. Sie versuchte, den Abend so gut zu genießen, wie es unter den
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