Der Hof (German Edition)
um. Die seltene Reproduktion des Plakats zu
Rififi
oder ein Druck von Vadims
… und ewig lockt das Weib
mit einer schrecklich atemlosen Bardot, der mich mein letztes Hemd gekostet hat. Nichts von alledem scheint jetzt noch wichtig zu sein.
Ich schließe die Tür und haste nach draußen, wo ich Jules’ Wagen geparkt habe. Ein Audi; schnittig und teuer. Ich sehe nicht wie der Typ aus, dem so ein teures Auto gehört, aber der Wunsch, schleunigst von hier zu verschwinden, ist überwältigend.
Für mich gibt es keinen Zweifel, wohin ich fliehen werde. Ich werfe meinen Rucksack in den Kofferraum und öffne die Fahrertür. Erst jetzt zögere ich. Ich will nicht sehen, wie die Beifahrerseite des Wagens aussieht, aber ich kann nicht losfahren, ohne es gesehen zu haben. Ich schaue mich nach allen Seiten um. Die Straße ist menschenleer. Also umrunde ich den Wagen. Der schwarze Lack ist rings um den Radkasten des Hinterrads zerkratzt und ausgebeult. Aber nicht so sehr, dass es unerwünschte Aufmerksamkeit auf sich ziehen könnte, und der Regen hat das, was an Blut da gewesen ist, inzwischen abgewaschen.
Nichts weist auf das hin, was ich getan habe.
Es ist noch zu früh für den morgendlichen Stoßverkehr, und ich komme bis zum Fährhafen in Dover gut durch. Jetzt erst lässt der Schock nach. Ich bin verkatert und erschöpft, und von dem Kampf tut mir alles weh. Als ich für mich und den Wagen die Fahrkarte kaufe, kommt mir der Gedanke, dass ich damit eine Spur hinterlassen könnte. Ich hätte den Wagen irgendwo abstellen sollen und bin von meiner eigenen Dummheit wie betäubt.
Aber keine Sirenen heulen auf, niemand schlägt Alarm. Ich steuere das Auto eines toten Mannes in den riesigen Metallbauch der Fähre, gehe dann nach oben an Deck und beobachte, wie die weißen Felsen langsam in der Ferne verschwinden.
Wenige Stunden später trampe ich unter der weiß glühenden Sonne auf einer staubigen Straße in Frankreich.
KAPITEL 19
Ich brauche nicht lange, um zu packen. Meine Klamotten und die wenigen Habseligkeiten sind schon bald im Rucksack verstaut. Ich hätte mir das bis zum Morgen aufheben können, aber es fühlt sich nach einer Absichtserklärung an, wenn ich es jetzt schon mache. Dieses Mal werde ich meine Meinung nicht ändern.
Wenn das überhaupt möglich ist, lässt mich das noch nervöser auf Mathildes Besuch warten.
Draußen ist es inzwischen vollkommen dunkel, obwohl es noch nicht neun ist. Ein weiteres Anzeichen, dass der Sommer fast vorbei ist. Drei Stunden also, bis Mathilde kommt. Ihre Ausgabe von
Madame Bovary
liegt neben der Matratze. Noch etwas, das ich unvollendet zurücklasse. Im Schein der Lampe blicke ich mich auf dem düsteren Dachboden um. Selbst mit dem ganzen Müll und den Spinnweben fühlt er sich für mich wie ein Zuhause an. Ich werde diesen Ort vermissen.
Ich liege auf dem Bett und zünde die nächste meiner letzten paar Zigaretten an. Die Flamme vom Feuerzeug schnipse ich aus und erinnere mich an das Foto aus Brighton, das zu Asche verbrannte. Ich wünschte, Gretchen hätte es nicht verbrannt. Aber ich wünsche mir so vieles. Vielleicht hätte ich verhindern können, was mit Chloe passiert ist. Yasmins Anschuldigungen haben sich mir tief eingegraben.
Du hast sie verlassen, als sie dich brauchte. Sie wollte es dir leicht machen, und dir war das nur recht.
In gewisser Weise stimmt das. Und niemand hat mich gezwungen, in jener Nacht in die Docklands zu gehen. Weil ich dorthin gegangen bin, ist jetzt ein Mann tot. Und da spielt es keine Rolle, ob es ein Unfall war oder dass ich nur versucht habe, meine Haut zu retten. Ich habe jemanden umgebracht.
Dieser Schuld kann ich nicht entkommen.
Ich blase den Zigarettenrauch zur Decke. Ich muss zurück, das weiß ich inzwischen. Mir vorzustellen, was mit mir passieren wird, macht mir immer noch Angst, aber ich muss um meines Seelenfriedens willen die Verantwortung für das übernehmen, was ich getan habe. Doch sobald ich wieder an Mathilde denke und überlege, was sie von mir wollen könnte, wankt meine Entschlusskraft.
Und da ist noch ein anderes Problem. Das Plastikpäckchen aus Jules’ Auto ist immer noch da, wo ich es nach dem Besuch der Gendarmen versteckt habe. Ich kann es nicht hierlassen, aber ich kann genauso wenig ein ganzes Kilo Kokain zurück nach Großbritannien mitnehmen.
Was soll ich also damit machen?
Der Dachboden ist stickig und feucht, und ich kann so nicht denken. Ich trete an das offene Fenster. Hinter dem Weingarten und
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