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Der Hof (German Edition)

Der Hof (German Edition)

Titel: Der Hof (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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knallt. Lenny versucht, mit dem Ellenbogen die Scheibe einzuschlagen. Der Wagen wippt, weil Jules an der anderen Tür zerrt und schreit, während ich erneut den Schlüssel drehe.
    «Nein, warte! Tu das nicht …»
    Der Motor heult laut auf. Lenny bückt sich und hebt den Baseballschläger auf, aber ich beschleunige bereits. Er tritt zurück, doch Jules rennt neben dem Wagen her, hämmert gegen die Scheibe und brüllt. Als ich das Gaspedal durchtrete, verschwindet er plötzlich. Einen Moment lang erlaube ich mir, erleichtert zu sein, doch dann wird mir das Lenkrad fast aus der Hand gerissen, weil der Wagen bockt und ruckelt. Ein Klappern kommt von der Beifahrerseite, als habe sich etwas im Radlauf verfangen. Das Ruckeln hört auf, als ich so heftig bremse, dass es mich nach vorne wirft. Kreischend kommt der Wagen zum Stehen. Ich drehe mich um, aber niemand ist am Wagen. Im Rückspiegel kann ich Lenny sehen, der in einiger Entfernung auf der Straße steht.
    Von Jules ist nichts zu sehen.
    Der Motor schnurrt leise. Ich schaue zur Beifahrerseite. Der Sicherheitsgurt hat sich in der Tür verfangen und sich abgespult und verdreht wie ein kleiner Galgenstrick. Als ich über den Sitz greife und die Tür öffne, kriecht er träge über den Sitz und wickelt sich wieder auf, doch der Mechanismus ist beschädigt, und schon bald hält er an. Ich starre auf den ausgefransten Gurt und denke an Jules’ Arm, wie er in der Tür geklemmt hat. Wie er gegen das Fenster hämmerte, als ich beschleunigte.
    Ich lasse den Motor laufen und steige aus dem Wagen.
    Lenny starrt auf etwas, das im Rinnstein liegt. Es bewegt sich nicht, und im Licht einer Straßenlaterne erkenne ich, wie verdreht die Gliedmaßen sind. Etwas Schwarzes und Scheußliches breitet sich ringsum aus und glänzt wie Öl. Jeder Zweifel, den ich vielleicht noch gehabt habe, wird von Lennys fehlender Wut weggewischt. Er hebt nur den Kopf und sieht mich mit einer Ruhe an, bei der es mir kalt über den Rücken läuft. Er hält immer noch den Baseballschläger, und ich weiche zurück, als er mit einer Entschlossenheit auf mich zukommt, die mir kalte Schauer über den Rücken jagt. Die Fahrertür schlägt gegen meine Beine, als ich zurückweiche. Dann steige ich wieder in den Wagen und lasse den Motor aufheulen.
    Während ich die Straße entlangrase, schaue ich ein letztes Mal in den Rückspiegel. Lenny steht in der Mitte der Straße und starrt hinter mir her.
    Ich fahre, bis ich das Gefühl habe, weit genug weg zu sein. Dann fahre ich links ran und öffne die Tür gerade rechtzeitig, ehe ich mich übergeben muss. Ich hänge halb aus der Tür und spucke bittere Galle auf die Straße. Als die Krämpfe nachlassen, greife ich nach meinem Handy und will einen Krankenwagen rufen. Für Jules werden sie nichts mehr tun können, aber ich laufe jetzt nur noch auf Autopilot, gehorche dem Pawlow’schen Reflex eines braven Bürgers. Außerdem weiß ich nicht, was ich sonst tun soll.
    Aber mein Telefon ist kaputt. Das Display hat einen Riss, und das Gehäuse zerfällt fast in meinen Händen. Ich weiß nicht, wann das passiert ist, aber es ist hinüber. Ich fahre weiter und will an der ersten öffentlichen Telefonzelle haltmachen, an der ich vorbeikomme. Was allerdings nicht passiert. Heftiger Regen setzt ein, und ich schalte die Scheibenwischer an. Die Welt da draußen verschwindet hinter einem impressionistischen Schleier. Ich habe das Gefühl, in einem Albtraum gefangen zu sein, aber langsam beginnt mein Verstand, die Kontrolle wieder zu übernehmen. Schon bald kann ich klar denken. Wenigstens hat es zunächst den Anschein.
    Es regnet immer noch, aber die erste Röte eines heraufdämmernden Sommertags erleuchtet den Himmel, als ich vor meiner Wohnung parke. Fiebrig vor Eile gehe ich ins Haus. Ich zittere am ganzen Körper, mir tut alles weh. Aber hierbleiben kann ich nicht. Lenny weiß, wer ich bin, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis er oder seine Geschäftspartner mich ausfindig machen. Ich kann mich nicht mal selbst der Polizei stellen, denn nach dem, was Jez mir erzählt hat, wird es im Gefängnis für mich kaum sicherer sein. Es gibt nur eine Sache, die ich jetzt noch tun kann.
    Ich suche meine Klamotten zusammen und das bisschen Bargeld, das ich im Haus habe, und stopfe alles in meinen Rucksack. In letzter Minute denke ich daran, meinen Reisepass einzustecken. Ich schaue mich ein letztes Mal in der kleinen Wohnung mit den Regalen voller DVD s und den Filmpostern an den Wänden

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