Der Hof (German Edition)
dir?»
«Ach nein. Nur jemand, mit dem ich mich manchmal treffe.» Sie zuckte neckisch mit den Schultern. «Ich habe ihn aber schon eine ganze Weile nicht gesehen. Vermutlich ist er eifersüchtig und hat deshalb Streit mit Ihnen gesucht.»
Das bezweifelte ich, aber so langsam hatte ich eine Vermutung, warum das Tor offen gestanden hat, als ich das erste Mal zum Hof kam. Es muss für Gretchen schwierig sein, sich mit den Jungs aus dem Ort zu treffen, wenn Arnaud auf sie aufpasst. Und ich bezweifle, dass ihr Vater es gut aufnimmt, falls er davon erfährt.
«Ich habe eher den Eindruck, es hat was mit deinem Vater zu tun», sagte ich. «Was hat er gemacht, um alle gegen sich aufzubringen?»
«Papa hat gar nichts getan. Die sind schuld», erwiderte sie schon wieder missmutig.
Seitdem hat keiner den Vorfall mehr erwähnt. Wenn nicht das blaue Auge wäre, hätte es auch gar nicht passiert sein können. Aber ich bin inzwischen zu dem Schluss gekommen, dass dieser Hof unliebsame Ereignisse einfach absorbiert und sich darüber schließt wie das Wasser um die Steine, die ich in den See werfe.
Ein paar Wellen breiten sich kreisförmig aus, danach ist alles wieder ruhig.
Arnaud hat sich die Wand inzwischen genauer angeschaut und wendet sich mir jetzt zu. «Das kann auch noch eine Weile warten. Kommen Sie.»
«Wohin?»
Aber er marschiert schon los. Ich verharre noch einen Moment, dann gebe ich nach und folge ihm. Er überquert den Innenhof zu den Ställen und verschwindet hinter dem Traktor, der einen der Torbogen blockiert. Als ich mich selbst an dem Traktor vorbeiquetsche, hat er bereits etwas vom Haken an der rückwärtigen Wand genommen.
«Fährt das Ding hier überhaupt noch?», frage ich und reibe meinen Ellenbogen dort, wo ich ihn mir an der Karosserie des Traktors gestoßen habe.
Seine Stimme kommt vom Ende des Stallgebäudes. «Nicht mehr, seit jemand Zucker in den Tank gefüllt hat.»
«Wer macht denn so was?»
«Ihre Visitenkarte haben sie nicht dagelassen.»
Ich denke an Didier und überlege, ob das der Grund für die Fangeisen ist. «Können Sie den Tank nicht leeren?»
Arnaud taucht wieder auf. Er trägt etwas, aber es ist zu dunkel, um zu erkennen, worum es sich handelt. «Kennen Sie sich mit Motoren aus?»
«Eigentlich nicht.»
«Dann stellen Sie keine dummen Fragen.»
Er kommt näher, und ich erkenne, dass er eine Kettensäge trägt. Ein riesiges, ölverschmiertes Ding mit langem Sägeblatt und gezackten Zähnen. Ich mache einen Schritt zurück, aber er steuert damit auf einen Benzinkanister zu. Er schraubt den Deckel vom Tank ab und beginnt, Benzin einzufüllen.
«Was haben Sie denn damit vor?», frage ich. Die Luft stinkt nach Benzin.
«Wir müssen Feuerholz schlagen.»
«Im Sommer?»
«Grünes Holz braucht viel Zeit, bis es richtig durchgetrocknet ist.»
Ich blicke durch den Torbogen zum Haus hinüber. «Was wird aus der Wand?»
«Die wird schon noch da sein, wenn Sie zurückkommen.» Er fügt aus einem anderen Kanister Öl hinzu, dann verschließt er den Tank wieder und hebt die Kettensäge mit einer Hand hoch. «Sie nehmen die Schubkarre.»
Neben einer Werkbank steht eine Schubkarre. Ich schaffe es irgendwie, sie mühselig an dem Traktor vorbeizumanövrieren, und stelle sie ab, damit Arnaud die Kettensäge hineinwerfen kann. Ich habe das ungute Gefühl zu wissen, was als Nächstes kommt. Und er enttäuscht mich nicht.
«Sie schieben die Karre.»
Mit diesen Worten verlässt er den Stall und überlässt es mir, ihm zu folgen. Ich lege meinen Gehstock in die Schubkarre und packe die Griffe. Die schwere Kettensäge sorgt für ein Ungleichgewicht, und als ich die Schubkarre wieder anhebe, kippt sie beinahe um. Rasch stelle ich sie wieder ab und schiebe die Kettensäge in die Mitte. Dann humple ich ungeschickt hinter Arnaud her.
Er überquert den Innenhof und geht durch den Weingarten Richtung Wald. Ich hole ihn erst ein, als er auf einer kleinen Lichtung in der Nähe der Statuen stehen bleibt. Kleinere Baumstümpfe stehen zwischen den dickeren Stämmen und sehen aus wie abgebrochene Zähne. Er knetet mit schmerzverzerrtem Gesicht seinen Rücken und geht zu einem Baum, während ich die Schubkarre absetze.
«Hier», sagt er und tätschelt den Stamm. «Den nehmen wir.»
Es ist eine junge Silberbirke, die zwischen den stämmigen Kastanien genug Platz zum Wachsen gefunden hat. Ich blicke Arnaud missmutig an, als er die Pfeife aus der Tasche nimmt und anfängt, sie zu stopfen. «Was
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