Der Hof (German Edition)
einen Kick verschafft, jemanden kleinzumachen, verstehst du? Er ist derjenige, der sie auf Kokain gebracht hat, und wegen ihm ist sie von der Kunstschule geflogen.»
«Sie ist
was
?»
Jez ist ziemlich geknickt. «Scheiße. Ich dachte, das wüsstest du.»
Für mich ist das alles neu. Soweit ich weiß, hat Chloe zusammen mit Yasmin ihren Abschluss gemacht. Und Kokain? Ich habe das Gefühl, gerade ein Paralleluniversum betreten zu haben.
«Oh Mann, Yasmin bringt mich um.» Er seufzt und fährt sich mit der Hand übers Gesicht. «Jules steckte bis zum Hals in der Drogenszene drin. VIP -Lounges, Clubs, Partys. Und bei ihm im Fitnessstudio bekam man nicht nur Steroide, wenn du verstehst, was ich meine. Es gab da so einen großen Typen, der ihn mit dem Zeug versorgt hat. Ein übler Mistkerl, mit dem man sich lieber nicht anlegt.»
Das klingt nach Lenny. Ich bin wie betäubt. Jez mustert mich besorgt von der Seite. «Bist du sicher, dass du das alles hören willst?»
«Erzähl weiter.»
«Yasmin hat versucht zu helfen, aber Chloe war … Na ja, du kennst sie. Dann hat sie eines Nachts eine Überdosis von irgendwelchem Zeug genommen, das Jules ihr angedreht hat. Yas hat sie gefunden und ins Krankenhaus gebracht und anschließend in eine Entzugsklinik. Sie hat Chloe dazu gebracht, ihre Telefonnummer zu ändern, und hat mit ihr zusammengewohnt, bis sie bereit war, wieder allein zu leben. Jules war in nichts von alledem eingeweiht, und das hat ihn ohne Ende aufgeregt. Er hat Yas mit allem Möglichen gedroht und hat versucht, Chloe zu finden. Aber Yas hat nicht nachgegeben. Und sie hatte recht: Sobald Chloe bei ihm ausgezogen war, kam sie wieder auf die Füße. Sie hat wieder angefangen zu malen und hat dich kennengelernt.» Er zuckt mit den Schultern. «Das ist alles.»
Es kommt mir vor, als würde er über einen anderen Menschen reden. Jetzt verstehe ich auch, warum Yasmin so wütend war, als Callum bei Chloes Feier mit dem Koks ankam. Warum sie nicht wollte, dass Chloe sich zu viele Hoffnungen bezüglich der Galerie macht. Das Malen war Chloes Halt, eine neue Sucht, die die alte ersetzte. Und die war ihr jetzt auch genommen worden.
Mein Stuhl kratzt über die Fliesen, als ich aufstehe. «Sean? Wo gehst du hin?
Sean!
», schreit Jez hinter mir her, als ich das Café verlasse.
Ich kümmere mich nicht um ihn. Ich habe das Gefühl, schon jetzt zu spät zu kommen, als ich die U-Bahn zurück nach Earl’s Court nehme. Chloe ist nicht da, also durchsuche ich systematisch alle Räume. Ich werfe ihre Klamotten, Bücher und DVD -Hüllen auf den Boden. Und dann werde ich unter einem lockeren Dielenbrett im Badezimmer fündig. Eine unscheinbare Plastikdose mit luftdichtem Deckel.
Darin finde ich ein Tütchen mit weißem Pulver, eine Rasierklinge und einen Make-up-Spiegel.
Ich sitze am Küchentisch, als sie von der Arbeit nach Hause kommt. Sie zögert, als sie die Plastikdose vor mir stehen sieht. Dann schließt sie die Wohnungstür und zieht ihren Mantel aus.
«Willst du mir irgendwas sagen?», frage ich.
«Was soll ich denn sagen?»
«Irgendwas.»
«Ich bin müde. Können wir nicht später darüber reden?»
«Wann denn? Wenn du wieder in einer Entzugsklinik bist?»
Sie seufzt, und ihre Schultern sacken nach unten. «Wer hat dir davon erzählt? Yasmin?»
«Ist doch egal, wer mir davon erzählt hat. Warum hast du es mir nicht gesagt?»
«Das geht dich überhaupt nichts an.»
«Und was ist hiermit?» Ich schiebe die Plastikdose quer über den Tisch in ihre Richtung. «Geht mich das etwa auch nichts an?»
Sie wendet sich von mir ab und füllt Wasser in den Kessel. «Ich bin schon ein großes Mädchen und kann tun und lassen, was ich will.»
«Woher hast du das Zeug?»
«Von jemandem bei der Arbeit.»
«Von wem?»
«Was glaubst du denn, von wem?»
Obwohl ich es vorher gewusst habe, fühlt es sich an, als hätte sie mir einen Schlag in die Magengrube versetzt. Ich bringe Jules’ Namen nicht über die Lippen. «Um Himmels willen, Chloe! Warum tust du das?»
«Warum?»
Sie knallt den Wasserkessel auf die Herdplatte. «Weil ich es nicht ertrage, mich ständig so scheiße zu fühlen! Weil ich es hasse, so ein verdammter Versager zu sein! Und ich bin es leid, immer so zu tun, als wäre ich kein Versager! Was
machen
wir denn überhaupt hier? Ich arbeite in einer Bar, und du schaffst es nicht mal, die wirkliche Welt zu ertragen!»
«Wovon redest du, um Himmels willen?»
«Du
weißt
es nicht mal, kann das sein? Du
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