Der Hof (German Edition)
welche es ist, und schon gar nicht weiß ich, was hinter all den anderen ist.
Mathilde geht den Flur entlang und schiebt eine Tür am anderen Ende auf. «Hier.»
Das Badezimmer ist so riesig, dass die alte Badewanne und das Waschbecken darin verloren wirken. Bis auf einen kleinen Vorleger neben der Wanne besteht der Fußboden nur aus nackten Dielenbrettern. Aber der Raum ist hell und luftig, obwohl das Fenster zu dieser Tageszeit nicht von der Sonne beschienen wird.
«Du musst zuerst das heiße Wasser laufen lassen und dann das kalte hinzufügen», erklärt sie mir. «Sei vorsichtig. Es wird ziemlich heiß.» Sie schiebt sich eine Strähne hinters Ohr und sieht an mir vorbei. «Du wirst ein sauberes Handtuch brauchen.»
«Ist schon okay.»
«Nein, das ist kein Problem.»
Sie verschwindet und schließt leise die Tür hinter sich. Ich kann mir das auch nur einbilden, aber ich glaube, seit ich ihr Jean-Claudes Nachricht übermittelt habe, ist sie mir gegenüber irgendwie reservierter. Das ist wohl kaum überraschend. Mir wäre es natürlich auch gar nicht recht, wenn Fremde etwas über mein Privatleben wüssten. Aber trotzdem finde ich es schade.
Die Badewanne ist ein tiefes, eisernes Monstrum, und die angeschlagene, weiße Emaille ist von zwei Roststreifen gezeichnet, wo die Mischbatterie tropft. Der Wasserhahn quietscht, als ich ihn drehe, und bringt zunächst nichts hervor als ein ächzendes Beben, das aus dem Herzen des Hauses aufzusteigen scheint. Dann schießt das Wasser in einem Schwall heraus. Als ich den Stöpsel in den Abfluss stecke, merke ich, dass Mathilde mit der Wassertemperatur nicht übertrieben hat.
Das Badezimmer füllt sich rasch mit Wasserdampf. Als ich den Hahn wieder zudrehe, brennt das Metall unter meinen Fingern. Danach lasse ich kaltes Wasser ein. Weil die Wanne so tief ist, muss ich sie zu drei Vierteln füllen, ehe die Wassertemperatur halbwegs erträglich ist.
Ich will die Tür abschließen, weil ich weder von Arnaud noch von Gretchen – du lieber Himmel! – beim Baden überrascht werden will, doch es gibt zwar Bohrlöcher von einem Riegel, aber keine Möglichkeit zum Abschließen. Ich hoffe also einfach, dass Mathilde die beiden daran hindern wird, mich zu stören, und ziehe mich aus und setze mich in die Wanne. Die Hitze durchdringt meine schmerzenden Muskeln und Gelenke. Ich stütze den Fuß auf den Wannenrand, damit der Verband trocken bleibt, und rutsche weiter nach unten, bis ich bis zum Kinn im Wasser liege.
Das ist pures Glück.
Ich bin gerade wohlig eingenickt, als mich ein Klopfen wieder aufschreckt. Mathildes gedämpfte Stimme dringt durch die Tür. «Ich habe dir ein Handtuch geholt.»
Ich setze mich auf. Auf dem Wasser hat sich vom Kalk ein Schleier gebildet, der es milchig wirken lässt. «Du kannst reinkommen.»
Ein Moment Stille, ehe sie die Tür öffnet. Ein Handtuch liegt über ihrem Arm. Ohne herzuschauen, legt sie es auf den alten Holzklappstuhl, der an der Wand steht.
«Kannst du es dir da hinten holen?»
«Das passt schon.»
Die Situation ist uns beiden peinlich. Sie wendet sich zum Gehen.
«Ich dachte, ich könnte vielleicht den Verband abnehmen», sage ich. «Um die Wunden auszuwaschen.»
«Mach das.»
Sie schaut dorthin, wo mein Fuß über den Wannenrand hängt. Ich warte, weil ich weiß, was als Nächstes kommt.
«Warte», sagt sie. «Ich helfe dir.»
Mathilde setzt sich auf den Wannenrand, und ich hebe den Fuß weiter an, damit sie den Verband abwickeln kann. Das leise Flüstern von Baumwollmull und das gelegentliche Tropfen des Wasserhahns sind die einzigen Geräusche. Mein Fuß sieht weiß und dünn aus, fast wie der eines Fremden. Die Wunden, die von dem Treteisen gerissen wurden, sind beinahe vollständig verheilt. Sie sehen immer noch scheußlich aus, wie schorfige, runzlige Münder, sind aber nicht mehr entzündet. Die Antibiotika habe ich schon vor einiger Zeit abgesetzt, und die letzte Schmerztablette musste ich nach einem Kater nehmen.
Mathildes Hände sind ganz sanft, als sie sich nach vorne beugt und die Wunden untersucht. Die Baumwolle ihres T-Shirts streichelt meine Zehen.
«Können die Fäden bald gezogen werden?», frage ich.
«Noch nicht.»
Für mich sieht es eigentlich so aus, aber ich vertraue ihrem Urteil. «Wie lange müssen sie noch drinbleiben?»
«Nicht mehr lange. Aber du kannst den Verband jetzt nachts abnehmen. Es wird den Wunden guttun, wenn sie Luft bekommen.»
Ich lasse den Fuß ins Wasser gleiten, als
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