Der Holcroft-Vertrag - Ludlum, R: Holcroft-Vertrag
der Fahrer des Fiat hatte keine Wahl; er fuhr schnell an den zwei haltenden Wagen vorbei. Noel blickte auf. Der Mann hatte helle Gesichtsfarbe, und sein Haar war von hellem Braun; und da war noch etwas: Flecken oder Pockennarben an der Wange des Mannes.
Er würde dieses Gesicht wiedererkennen; das war wichtig für ihn.
Der Fahrer des defekten Wagens dankte Holcroft und erklärte, daß schon Hilfe unterwegs sei.
Noel nickte und fuhr wieder an. Er war gespannt, ob er den
grünen Fiat bald sehen würde. Und wenn ja - würde er in einer Nebenstraße auf ihn warten oder einfach aus dem Nichts hervorkommen und im Rückspiegel auftauchen?
»Das war sehr nett«, sagte Helden.
»Wir häßlichen Amerikaner tun hin und wieder etwas Nettes. Ich fahre jetzt zur Hauptstraße zurück.«
Falls der grüne Fiat in einer Seitenstraße gewartet hatte, so sah er das jedenfalls nicht. Er war einfach da, tauchte auf der Hauptstraße im Rückspiegel auf. Sie nahmen die Ausfahrt Seine-et-Marne und fuhren nach Barbizon hinein. Der grüne Fiat blieb weit hinter ihnen, aber er war da.
Die Stimmung bei ihrem Mittagessen war seltsam gemischt aus Behagen und Verlegenheit; flüchtige Annäherungen und unvermittelte Scheu; ungezwungene Gespräche, die jäh stockten und abrissen. Ihr Zusammensein, ihre körperliche Nähe aber erfüllten sie mit Wohlgefühl. Holcroft dachte, daß sie das sicher ebenso empfand wie er.
Das Gefühl, einander nahe zu sein, verstärkte Helden, offensichtlich ohne sich dabei etwas zu denken, indem sie ihn wiederholt berührte. Plötzlich lag ihre Hand für Augenblicke auf seinem Ärmel oder auf seiner Hand. Sie tat das, um etwas zu betonen, was sie sagte, oder weil sie eine Frage stellte, aber jedenfalls berührte sie ihn, als wäre das die natürlichste Sache der Welt. Und für ihn war es ganz natürlich, ihre Berührung anzunehmen und zu erwidern.
»Ihr Bruder hat nicht über Beaumont gesprochen?« fragte er.
»Doch, das hat er. Er war sehr verärgert. Alles, was Beaumont betrifft, ärgert ihn. Aber daß Sie ihn im Flugzeug gesehen haben, das glaubt er nicht. Er meint, da hätten Sie sich geirrt. Er wollte, daß Sie das Foto mitbringen. Ich sagte, daß Sie es nicht mehr haben. Er war richtiggehend wütend. «
»Wegen des Fotos?«
»ja. Er sagte, das könne gefährlich sein. Das könne >Leute<, sagte er, zu Gretchen führen. Zu Ihnen. Nach Genf. «
»Ich glaube, die Antwort ist viel einfacher. Die Royal Navy ist auch nicht anders als jede andere militärische Organisation. Ihre Offiziere beschützen einander.«
»Meine nicht gerade wählerische Schwester, meinen Sie?«
Holcroft nickte; er wollte wirklich nicht über Gretchen Beaumont sprechen, schon gar nicht mit Helden. »So etwas Ähnliches. «
Sie berührte seine Finger. »Es ist schon gut, Noel. Ich will nicht den Richter spielen, wenn es um meine Schwester geht.« Dann zog sie verlegen die Hand zurück. »Ich meine, ich habe nicht das Recht... Nein, das meine ich auch nicht. Ich meine, was Sie angeht, habe ich nicht das Recht...«
»Ich glaube, wir wissen beide, was Sie meinen«, unterbrach Holcroft und legte seine Hand auf die ihre. »Sie können sich dieses Recht nehmen. Ich glaube, ich mag das.«
»Jetzt komm ich mir richtig albern vor.«
»Meinetwegen? Das ist das Allerletzte, was ich möchte.« Er zog die Hand zurück und folgte ihrem Blick zum Fenster hinaus. Sie blickte auf den kleinen, von einem Mäuerchen umgebenen Teich auf der Terrasse, aber seine Aufmerksamkeit wanderte weiter. Sein Blick erfaßte ein paar Touristengruppen, die vor dem Restaurant durch die Straßen von Barbizon schlenderten. Der Mann mit dem hellbraunen Haar und dem Pockengesicht stand reglos auf der anderen Straßenseite. Er hatte eine Zigarette im Mund und hielt eine Broschüre in der Hand. Aber er sah die Broschüre nicht an. Er blickte zum Restauranteingang herüber.
Jetzt war es Zeit, etwas zu unternehmen, dachte Noel. Sein Zorn war neu entfacht; er wollte diesen Mann haben.
»Ich habe eine Idee«, sagte er, so beiläufig er konnte. »An der Tür habe ich ein Plakat gesehen, auf dem - in meinem Schuljungenfranzösisch - glaube ich, Fête d’hiver stand. Irgendwas mit Montereau-sowieso. Ist das nicht eine Art Volksfest?«
»Das fête, nicht das Dorf. Montereau liegt zehn oder zwölf Kilometer südlich von hier, glaube ich.«
»Was ist es, das Fest, meine ich?«
»Fetes d’hiver? Die sind hier ziemlich verbreitet und werden meistens von den
Weitere Kostenlose Bücher