Der Holcroft-Vertrag - Ludlum, R: Holcroft-Vertrag
verschiedenen Lagern angehören; der Präsident der Vereinigten Staaten und der Parteivorsitzende der Volksrepublik China, oder der Premierminister des Vereinigten Königreichs und der Generalsekretär der Sowjetunion. «
»Unmöglich! Bei den Sicherheitsvorkehrungen, die bei solchen Gipfeltreffen üblich sind.«
»Es gibt keine absolute Sicherheit. Es wird Menschenmengen geben, Bankette. Wo gibt es schon eine absolute Garantie? «
»Die muß sein!«
»Nicht gegen den Tinamu.«
»Den Tinamu ?«
»Er hat das höchste Honorar erhalten, das je bezahlt worden ist.«
»Du großer Gott, von wem ?«
»Von einer Organisation, die man als die ›Abwehr‹ kennt. «
Harold Payton-Jones starrte Tennyson an. Sie saßen in einem schwachbeleuchteten Zimmer, in dem nur ein Tisch und die zwei Stühle standen, auf denen sie saßen. MI-5 hatte den Treffpunkt ausgewählt; er befand sich in einer aufgelassenen Pension im Osten Londons.
»Ich wiederhole«, sagte der grauhaarige Agent mit gemessener Stimme. »Sie erwarten im Ernst von mir, daß ich Ihnen das alles abnehme, bloß weil Sie sich dafür verbürgen? Lächerlich! «
»Was anderes bleibt mir nicht«, antwortete Tennyson. »Alles, was ich Ihnen gesagt habe, entspricht der Wahrheit. Wir haben keine Zeit, länger gegeneinander zu kämpfen. Jede Stunde ist ungeheuer wichtig.«
»Und ich bin nicht bereit, mich von einem Journalisten hinters Licht führen zu lassen, der vielleicht mehr als nur ein
Korrespondent ist! Sie sind sehr clever. Und möglicherweise ein unerhörter Lügner. «
»Mein Gott, weshalb wäre ich dann hier ? Hören Sie mir zu! Ich sage es zum letztenmal: der Tinamu ist von ODESSA ausgebildet worden. In den Hügeln von Rio de Janeiro! Ich habe mein ganzes Leben gegen die ODESSA gekämpft; das finden Sie in meinen Akten, wenn jemand sich die Mühe machen will, sie gründlich durchzusehen. Die ODESSA hat uns aus Brasilien verdrängt und von allem abgeschnitten, was wir uns dort aufgebaut haben. Ich will den Tinamu haben!«
Payton-Jones musterte den blonden Mann. Die Auseinandersetzung war heftig gewesen und dauerte jetzt schon fast eine halbe Stunde. Der Agent hatte Tennyson einem Kreuzfeuer von Fragen ausgesetzt, ihn immer wieder mit Beleidigungen herausgefordert. Das war eine Technik, die MI-5 häufig einsetzte und die sich gut dafür eignete, Wahrheit und Lüge voneinander zu trennen. Es war offensichtlich, daß der Engländer jetzt zufrieden war. Seine Stimme wurde leiser.
»Also gut, Mr. Tennyson. Wir können aufhören, uns zu streiten. Ich habe das Gefühl, daß wir uns bei Ihnen entschuldigen sollten.«
»Das gilt für uns beide. Ich wußte nur, daß ich allein besser würde arbeiten können. Ich mußte so viele Masken tragen. Wenn man mich je mit einem Angehörigen Ihres Dienstes gesehen hätte, wäre ich erledigt gewesen. Ich hätte mir dann meine Pläne an den Hut stecken können.«
»Dann tun mir die Anlässe leid, wo wir Sie zu uns geholt haben.«
»Das waren immer gefährliche Augenblicke für mich. Ich konnte spüren, wie mir der Tinamu entglitt. «
»Noch haben wir ihn nicht gefaßt.«
»Aber jetzt ist es nur noch eine Frage von Tagen. Wir werden Erfolg haben, wenn wir bei jeder unserer Entscheidungen mit äußerster Umsicht vorgehen, in allen Straßen, auf denen sich die Delegationen bewegen - an jedem Versammlungsort, bei jeder Veranstaltung, jedem Bankett. Diesmal haben wir einen Vorteil, den es früher nie gegeben hat. Wir wissen, daß er da ist.«
»Und Sie sind sich Ihrer Gewährsleute völlig sicher?«
»Wie noch nie. Dieser Mann in der Gaststätte in Berlin war der Kurier. Jeder Kurier zum Tinamu istbisher getötet worden. Seine letzten Worte waren: ›London ... nächste Woche... der Gipfel... von jeder Seite einer... Ein Mann mit einer tätowierten Rose auf dem Handrücken... Abwehr. < «
Payton-Jones nickte. »Wir werden in Berlin Erkundigungen einziehen. «
»Ich bezweifle, daß Sie da was herausfinden. Aus dem Wenigen, was ich über die >Abwehr< weiß, war sie in allen ihren Aktionen absolut ausgebufft.«
»Aber sachlich«, sagte Payton-Jones. »Ihre Informationen waren stets korrekt. Und sie hat niemanden geschont. Die Anklagevertreter in Nürnberg wurden die ganze Zeit von der >Abwehr< mit Material versorgt.«
»Immerhin«, sagte Tennyson, »haben die Ankläger doch wohl nur das erhalten, was die ›Abwehr‹ ihnen geben wollte. Wir wissen nicht, was die zurückgehalten haben.«
Wieder nickte der Brite.
Weitere Kostenlose Bücher