Der Hoteldetektiv
unbekannt – und so sollte es auch bleiben.
Nichts, aber auch gar nichts hatten sie zutage gefördert. Nur ei-
nes – und das machte mich stutzig, aber darauf komme ich später
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zurück.
Ich fand also nicht den geringsten Hinweis, nicht den kleinsten
Tip auf die Person, das Geschlecht und die Arbeitsweise des mög-
lichen Täters.
Die Einbrüche geschahen folgendermaßen – ich will es am Bei-
spiel von Lady J. Nestor demonstrieren:
Lady J. Nestor traf im Hil crest ein, buchte zwei Apartments (zwei Schlafzimmer, zwei Bäder, zwei Salons, insgesamt 145 Quadratme-ter) für sich und ihren Liebling, einen Pekinesen namens Gecco;
mir waren bisher nur Eidechsen dieses Namens bekannt.
Lady J. Nestor wohnte acht Tage im Hillcrest, um alte Freunde in London zu besuchen, sich die neuesten Theaterstücke anzusehen,
dem großen Maestro aus Wien zu applaudieren, der ›utooopische‹
Musik dirigierte, zu den Rennen zu fahren und in einer süßen klei-
nen Boutique in Kensington sich mit den Gardinentül -Blusen ein-
zudecken, die ›in town‹ in waren. Ah, nicht zu vergessen, sie sah
auch Striptease in Soho.
Am letzten Abend gab sie dann ein kleines Dinner für dreiund-
achtzig Personen. Sie trug nur ihre Perlen (Schätzwert 380.000 DM) und ein kleines Paco-Kleid, das mehr als ein Volkswagen gekostet
hatte.
Gecco erhielt zur Feier des Abends passierte Wachteleier mit ei-
nem Tupfer Sauce rouge, was immer das sein mochte.
Vor dem Bankett besaß Lady J. Nestor noch ihre Smaragde, nach
dem Bankett war sie um rund 28.000 DM ärmer oder zumindest
leichter.
Aber Lady J. war eine verständige Frau. Hauptsache – so erklärte
sie –, ihrem süßen Geccolein, der in seinem Doppelbett die Wach-
teleier verdaut hatte, war nichts passiert. Außer, daß die dummen
Diebe das Fenster offengelassen und Geccolein sich womöglich im
abendtaunassen Gras des Parks einen Schnupfen geholt haben
könnte.
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Geccolein wurde vorsorglich geimpft, bevor Lady J. mit ihm nach
Paris zur Premiere vom ›Letzten Tango‹ weiterreiste.
Ich las jeden einzelnen, ausführlichen Bericht über die Lebensge-
wohnheiten unserer ›Hochwohlgeborenen Gäste‹, die das Pech hat-
ten, ausgerechnet in unserem Londoner Haus um einige ihrer Kost-
barkeiten erleichtert zu werden.
Sie ertrugen es tatsächlich mit einer überraschenden Portion Fas-
sung.
Also, ich glaube, Jinny hätte da ganz anders reagiert. Sie hätte bestimmt Zeter und Mordio geschrien. Aber schließlich besaß sie ja
auch nur einen einzigen wertvollen Ring, und der war dazu noch
ein Erbstück meiner Großmutter, die ich wie keinen Menschen vor
Jinny geliebt habe.
Aber zurück zu meinem Problem im Hillcrest.
Frage: Was verband die Geschädigten miteinander außer ihrem
Reichtum? Denn vom Opfer läßt sich häufig auf den Täter schlie-
ßen.
a) Sie waren allesamt – ob nun Lady J. oder Mrs. T., Mrs. K. oder
Mrs. R. – leidenschaftliche Hundeliebhaber, Lady J. liebte, wie er-wähnt, Pekinesen. Mrs. T. fand Rauhhaardackel so süß, Mrs. K. war
eine Expertin, was Chow-Chows angeht. Mrs. R. wiederum gab
Collies den Vorzug.
b) Sie waren allesamt Touristen – aus Amerika, Australien und
aus Hongkong.
c) Sie hatten allesamt nicht länger als höchstens vierzehn Tage in England geweilt, hatten dann ihre Reise um die Welt fortgesetzt.
Nun weiß aber jeder, der England kennt, wie streng hier die
Quarantänebestimmungen für Hunde sind. Versuchen Sie's mal,
bringen Sie mal einen Hund illegal nach England rein. Sie werden
im wahrsten Sinne des Wortes Ihr blaues Wunder erleben.
Wenn also beispielsweise Lady J. Nestor aus Los Angeles ihren
kleinen Gecco-Liebling auch im Hillcrest in London bei sich haben 37
wollte, mußte sie ihn ein halbes Jahr vorher auf dem Luftweg her-
übersenden, damit der Arme seine Quarantäne absolvieren konnte.
Und das – wenn sie Geccolein wirklich liebte – würde Lady J.
dem Kleinen doch nun wirklich nicht zumuten, vor allem, da in
der Quarantäne gewiß keine Apartments mit Doppelbett und eige-
nem Bad für den Liebling bereitgehalten werden.
Was also würde Mrs. Lady J. Nestor getan haben?
Wenn sie nicht auf einen vierbeinigen Gefährten verzichten woll-
te, sich natürlich einen neuen in good old Europe beschaffen.
Und das dürfte in England gewiß nicht schwerfallen, zum ersten
ist die Tierliebe der Angelsachsen weithin bekannt, und zum zwei-
ten gibt es aus diesem Grunde gewiß genug Hundezuchten auf
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