Der Hoteldetektiv
Kalbskugelknochen aus der
Küche heraufgebracht, den er sehr manierlich auf einer Papierser-
viette nagte.
Ich ging hinunter in den Gril room mit Blick auf den Schwanen-
teich, um die Austernpastete zu kosten, für die das Hillcrest be-rühmt ist.
Ich ließ mir Zeit mit dem Essen.
43
Trank noch einen Kaffee, einen ausgezeichneten Cognac dazu,
gönnte mir noch einen zweiten (auf J.L.'s Spesen) und kehrte mit
der Miene eines Mannes, der gut gespeist und getrunken hat, so-
dann in mein Apartment zurück.
Das Fenster des Schlafzimmers stand offen, nur einen Spalt, aber
die sich im Zug bauschenden Vorhänge verrieten es.
Pips war nirgends zu sehen.
Ich sandte Lockpfiffe in den nachtdunklen Garten, den nur hier
und da indirektes Licht romantisch erhellte.
Und tatsächlich, da kam Pips angetrabt. Mit einem gekonnten
Satz erreichte er das kräftige Geäst vom Efeu, die Fensterbalustrade und ließ sich von mir sicher ins Zimmer heben.
Mein schwarzledernes Rasierapparatetui, das jeder Einbrecher für
eine kleine Schmuckkassette halten konnte, war und blieb ver-
schwunden. Vor dem Essen hatte ich es mit hübschem, erst auf den
zweiten Blick erkennbarem Glitzerschmuck gefüllt und ein paar
Zentimeter Reißverschluß offengelassen.
Meine Eingebung hatte mich also nicht getäuscht – Pips hatte es
schon vor drei Stunden, bei seiner Inspektion des Schlafzimmers,
sogleich auf dem Frisiertisch entdeckt und sich begehrlich, mit seinem Stummelschwanz wedelnd, danach aufgerichtet.
Ich setzte mich mit der Bitte um strengste Vertraulichkeit mit Scot-land Yard in Verbindung – am nächsten frühen Morgen, zu einer
Stunde, wo anständige Leute im allgemeinen noch schlafen.
Phil, der Besitzer des Hundehotels, so stel te sich heraus, war dem Einbruchsdezernat kein Unbekannter. Wegen Juwelendiebstahls einschlägig vorbestraft, war er danach vier Jahre lang untergetaucht.
Man hatte angenommen, daß er irgendwo auf dem Land von gehei-
men Ersparnissen lebte.
Seine mit so viel sorgsamer Pflege dressierten Hunde überführten
44
ihn nun. Man brauchte nur etwas Glitzerndes vor ihren Augen bau-
meln zu lassen, und sie leckten sich begehrlich die Lefzen wie nach einem rohen Fleischbatzen.
Der kleine Paul mußte leider auch dranglauben – denn er war der
vielversprechende, gewitzte kleine Bruder unseres großen Ganoven.
Paul hatte jeweils die entsprechenden Fenster in den Hotelzim-
mern geöffnet, wenn die Zeit für einen Beutezug reif schien. Seine Rolle im Juwelenspiel fiel ihm ganz und gar nicht schwer, denn alle im Hotel liebten den kleinen fröhlichen Paul, und selbst außer
Dienst hatte er ungehindert Zugang.
Mrs. Moore war nicht wirklich seine Tante, sondern seine Schwä-
gerin. Und sie backte ihre Pasteten nicht nur zum Spaß.
Im weichen Bett der getrüffelten Füllungen verbarg sie die Kost-
barkeiten, die Phil's Hunde so geschickt erbeuteten. Dann sandte
sie die Pasteten, in elegante, mit der Aufschrift ›Mutter Moore's
Pasteten‹ versehene gelbe Kartons verpackt, an Interessenten, näm-
lich Hehler.
»Es tut mir leid«, sagte Paul zum Abschied. »Sie wollte ich nicht
schädigen, weil Sie doch Kanarienvögel mögen. Und außerdem war
ich sicher, daß bei Ihnen gar nichts Wertvolles zu holen war.«
Natürlich tat es mir leid, daß ich Pips nicht mit zu Jinny nehmen
konnte, aber stellen Sie sich einmal vor – was Pips in jedem Sheraman-Hotel für Unheil anrichten könnte?
45
Ein Schloßhotel
war hieß es eigentlich, daß bei uns zu Hause nur die Luftlotsen
Zbummelten, aber als ich aus London kommend in Köln-Wahn
eintraf, schien mir, als täte hier die Gepäckausgabe es ihnen zumindest gleich. Da standen wir Fluggäste um das Förderband herum,
warteten geduldig wie Schafe – es blieb uns ja auch nichts anderes übrig – auf unsere Koffer.
In London war mir eine Prämie für ›entschlossenes und umsich-
tiges Verhalten‹ ausgehändigt worden, in einem grauen Umschlag
des Hillcrest und ausgerechnet noch von Paul, nun nicht mit fröh-lichem, sondern traurigem Lächeln. Ich schenkte ihm eine 10-
Pfund-Note für ›bessere Tage‹, und dann stürzte ich mich in einen
wahren Einkaufsrausch für Jinny. Dazu erstand ich einen schwarzen
Lackkoffer mit goldenen Schlössern bei Harrods. Ich begann mich
also schon daran zu gewöhnen, daß ich in Zukunft nicht mehr nur
mit Handgepäck reisen würde. Aber es ist schon ziemlich blöde,
wenn man bloß wegen eines Koffers eine halbe
Weitere Kostenlose Bücher