Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hoteldetektiv

Der Hoteldetektiv

Titel: Der Hoteldetektiv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Cordes
Vom Netzwerk:
Stunde verplempert,
    vor allem, wenn man weiß, daß einen ein süßes Mädchen erwartet.
    Doch keine Angst, ich bin ein sehr altmodischer Mensch, es han-
    delte sich selbstverständlich um Jinny, die mir in Kapstadt Ange-
    traute.
    Wir wußten noch nicht genau wo, aber wir wollten unsere Flitter-
    wochen nun endlich an irgendeinem verschwiegenen idyllischen
    Plätzchen meiner Heimat verbringen. Auf jeden Fall sollte es da
    kein Telefon geben, damit uns niemand, auch nicht der große sanf-
    te Sheraman, aufstöbern konnte.
    Und Jinny sol te natürlich auch Mama vorgestellt werden, ein Er-
    eignis, dem ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge
    entgegensah. Es hatte mich schließlich runde fünfundzwanzig 46
    Jahre meines Lebens gekostet, mich aus ihrer Fürsorge zu befreien, die im Winter wollene Unterwäsche und Hustensirup, jeden Sonn-tag Sauerbraten und einen Obsttag zur Entschlackung in jeder Wo-
    che beinhaltete. Dazu Argusaugen, unter denen die bescheidene
    Antwort eines mir liebwerten Mädchens zum Stottern einer Närrin
    wurde, scheues Zögern zur Körperbehinderung, und was der Dinge
    mehr sind.
    Mama war in ihrer Jugend Schauspielerin gewesen, bis sie den
    Schwüren meines Vaters erlag, sie bis an sein Lebensende auf Hän-
    den zu tragen. Es blieb ihm nicht viel Zeit dazu, denn nach der
    Blitzhochzeit und meiner Zeugung mußte er wieder an die Front,
    und seither ward nichts mehr von ihm gehört.
    Meine Mutter behauptet steif und fest, daß er noch lebe, und ihr
    Lieblingslied bis zum heutigen Tage ist: »Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen.«
    Ich muß sagen, sie war schon zu bewundern, wie sie ihre große
    Karriere für mich opferte, zur Erinnerung an meinen Vater in des-
    sen Heimatstadt Aachen zog und dafür Berlin aufgab; mit dem
    Mut einer Löwin einen Hutsalon eröffnete zu einer Zeit, als der
    Einheitskopfputz noch Kopftuch hieß.
    Mama erzog mich liebevol und streng in dem winzigen Zimmer
    hinter dem Laden, in dem es immer nach angesengtem Filz, Kreide
    und Dampf roch.
    Da kriegte ich meine drei Mahlzeiten täglich, da machte ich
    Schulaufgaben und ochste später für die TH; Mama wollte unbe-
    dingt einen Diplomingenieur aus mir machen. Hier las ich auch die
    ersten Liebes- und Kriminalromane, verbotenerweise, was ich nicht
    ganz verstand, denn meine Mutter verschlang sie in ihrer spärlichen Freizeit, garniert mit schokoladenen Negerküssen.
    Als ich auf die TH ging, bezogen wir eine Neubauwohnung, denn
    Mutter meinte: »Du wirst ja auch Freunde mitbringen wollen, und
    die sollen sehen, daß du ein anständiges Elternhaus hast.« Nun
    47
    ging sie nur noch halbe Tage ins Geschäft, den Rest des Tages wid-
    mete sie ganz mir.
    Ich brachte tatsächlich anfangs Freunde mit; beim ersten Mal fan-
    den sie Mutter toll, so schick und so charmant, beim zweiten Mal
    rutschten sie unbehaglich auf den zierlichen Stühlen hin und her,
    auf denen wir um den Teetisch saßen, und beim dritten Mal sagten
    sie: »Mensch, laß uns lieber in 'ne Kneipe gehen. Deine Mutter
    geht einem mit ihrem Getue auf die Nerven.«
    Arme Mama, dabei meinte sie es so gut. Aber sie verstand, eine
    Niederlage mit Würde zu tragen, sogar, als ich ihr kurz darauf er-
    klärte – und damit nur die Meinung meiner Lehrer wiedergab –,
    daß aus mir niemals ein Ingenieur würde, denn mir fehlte es dafür
    an mathematischem Verstand.
    Und was sol jetzt aus dir werden? Wil st du womöglich wie dein
    Vater Polizist werden? Es war das erste Mal, daß sie dieses Geheimnis lüftete. Mein Vater hatte Polizist werden wollen, war aber wie zu so vielem gar nicht erst dazu gekommen; dafür war es vor ihm
    sein Vater gewesen und davor sein Großvater und … Ich konnte
    also auf eine ganze Ahnenkette von Männern zurückblicken, die
    stets als Freund und Helfer dem Bürger gedient hatten.
    Mir kribbelte es in den Fingerspitzen, mir wurde ganz warm ums
    Herz. Fantasie und Spürsinn – das war es, was ich besaß. Mit einer fundierten Ausbildung sollte mir doch der Sprung in irgendeines
    der aufregenden Kriminaldezernate gelingen, wie Mord und Raub,
    oder auch Sitte, meinetwegen.
    Daß ich dann schließlich einer der namenlosen und gesichtslosen
    Spürnasen wurde, die sich in jedem besseren Hotel wie Schatten be-
    wegen, das ist eine andere Geschichte, und hier bleibt nicht mehr
    genug Zeit, sie auch noch zu erzählen.
    Da stand Jinnylein, direkt hinter dem Zollschalter, Vergißmein-
    48
    nichtaugen glänzendfeucht, Kirschlippen

Weitere Kostenlose Bücher