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Der Hoteldetektiv

Der Hoteldetektiv

Titel: Der Hoteldetektiv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Cordes
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förderte zwei Dutzend
    Schwarzweiß-Glanzpapierfotos zutage; Aufnahmen eines professio-
    nellen Fotografen.
    Auf den ersten Blick wol te es mir scheinen, als hätte ich all diese perfekten Mädchengesichter schon einmal gesehen, aber dann bemerkte ich gewisse Unterschiede: Alle diese Mädchen hatten zwar
    Ähnlichkeit mit den Mannequins des Abends – aber identisch mit
    ihnen waren sie nicht.
    »Von wem hast du die Fotos?«
    »Von Westmann«, sagte Jinny.
    »Warst du inzwischen im Red Rock in Beirut?«
    »Aber nein, ich hatte nur eine Zwischenlandung in München, be-
    vor ich dich abholte, und da haben wir miteinander gegessen.«
    »Ach so«, sagte ich.
    »Nun sei doch nicht böse. Ich verschweige dir doch nichts. Aber
    sollte ich uns die ersten Tage gleich verderben, bevor die Zeit reif war?«
    »Und jetzt ist die Zeit reif?«
    »Bitte, schau doch erst einmal nach, ob es hier Wanzen gibt.«
    »Wie bitte?«
    »Stell dich doch nicht so dumm an«, zischte meine süße Jinny.
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    Ich war wie vor den Kopf geschlagen und sah wohl auch so aus.
    Mit Wanzen meinte sie natürlich winzige Abhörmikrofone, deren
    Anbringung heutzutage ein Kinderspiel ist.
    Ich fand eine hinter der Seifenmuschel im Badezimmer und eine
    gleich im Zentrum unseres Betthimmels, sozusagen als Abendstern
    getarnt.
    »So«, sagte Jinny, »jetzt können wir offen reden. In Beirut fand
    vor zwei Wochen eine ebensolche Modenschau statt wie heute die-
    se hier. Dabei wurde eines der Mannequins getötet. Das Mädchen
    wurde erstochen. Man fand sie, als die übrige Truppe abgereist war.
    Seither nimmt Westmann an, daß es sich nicht um eine reguläre
    Modenschau handelt, sondern um Mädchenhandel.«
    »Ach?«
    »Bist du heute so schwer von Begriff, oder tust du nur so?«
    »Jinny, wir flittern, wir haben Urlaub. In fünf Tagen müssen wir
    sowieso zu unseren Jobs in Beirut zurück. Also, sei ein braves Kind und verschone mich mit Hiobsbotschaften, mit denen ich mich
    dann noch früh genug abgeben muß.«
    »Aber verstehst du denn nicht? Heute abend, die Männer, die
    haben sich doch alle so eifrig irgendwas notiert. Als ich auf der Tö war, da hab' ich einem über die Schulter geschaut, da standen bloß Zahlen auf dem Block – links niedrigere und rechts höhere –, und
    wenn du mich fragst, dienten die Namen der Mädchen als Kode-
    worte für ihre Preise. Das heißt, die konnten die Kerle ja schon in der Tasche haben.«
    »Du machst mir wahrhaftig Konkurrenz«, sagte ich.
    »Ich lasse nur meinen normalen Menschenverstand spielen«, ant-
    wortete Jinny bescheiden.
    »Und was soll ich da noch tun?«
    »Ich wette, zur Zeit findet irgendwo im Haus eine Versteigerung
    der armen Geschöpfe statt. Und stell dir vor, es bringt sich wieder eine um?«
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    »Also gut, ich werde mal sehen, was los ist. Schließ hinter mir
    ab.«
    Jinny küßte mich fest auf den Mund und verriegelte hinter mir
    die Tür.
    Ich mimte den etwas angetrunkenen Trottel, verzichtete auf den
    Aufzug aus dem zweiten Stock hinab ins Parterre, nahm die Ser-
    vice-Treppe mit maßvoll schwankendem Schritt.
    Auf der ersten Etage, wo sich das Spezialitäten-Restaurant ›al
    Arab‹ befand, geriet ich vor verschlossene Türen. An der Hand der
    bronzenen Jungfrau, die den Eingang bewachte, hing ein Schild:
    ›Private Gesellschaft‹.
    »Eh, eh, mh, mh«, murmelte ich und zündete mir eine Zigarette
    an, ich brauchte eine halbe Schachtel Streichhölzer, weil ich ja angeblich so angeschickert war.
    Da tauchte auch endlich ein Kellner auf, maß mich mit hochge-
    zogenen Augenbrauen und sagte: »Der Aufzug befindet sich direkt
    zu Ihrer Rechten, mein Herr.«
    »Ich will keinen Aufzug, ich will einen Drink.«
    »Selbstverständlich, mein Herr, der Zimmerservice wird Sie bes-
    tens bedienen.«
    Der Kellner ergriff meinen Arm, und nun musterte ich ihn mit
    hochgezogenen Augenbrauen. »Sie wissen wohl nicht, wen Sie vor
    sich haben ? Ich gehöre zu der geschlossenen Gesellschaft.«
    »Aber, mein Herr!«
    »Sie wagen es, mir zu widersprechen?«
    »Ja, mein Herr.«
    »Dann öffnen Sie mir die Tür!« Großzügig, wie ich nun mal bin,
    gab ich ihm ein Trinkgeld.
    Ich überschritt die Schwelle zum ›al Arab‹ und befand mich in
    einem Harem.
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    Die Mädchen paradierten nun ohne kostbare Hüllen, und die
    Herren überboten sich so lautstark und schnel , wie ich es noch nie bei einer Versteigerung erlebt habe.
    Da stand tatsächlich ein Auktionator an einem Pult, das wie ein
    Betstuhl aus der

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