Der Hoteldetektiv
träumen, oder?«
»Natürlich, Jinny, mein Schatz!«
Sie lehnte ihren Kopf an meine Schulter, und mir war, als hörte
ich sie in ihrem Traum schnurren wie eine satte Katze.
Es ist schon sonderbar, wenn man auf dem New Yorker Flughafen
ankommt, von einem Cadillac mit dem Wahrzeichen Sheramans
abgeholt und über den Highway nach Manhattan gefahren wird.
Zuerst geht es nämlich Meile um Meile zwischen Friedhöfen ent-
lang, auf mich wirkte das etwas deprimierend, Jinny wachte erst auf, als wir uns schon dem Hotel näherten, am Central Park, gar nicht
weit vom berühmten Plaza entfernt.
Aber das Sheraman-Hotel Golden Globe konnte sich ebenso sehen lassen wie das Plaza; mit seiner violettweiß gestreiften Markise über 88
dem Eingang, den Portiers, den Pagen, alle in Sheramans Lieblings-
farbe violett, und schließlich unsere Suite – ein Luxus, der, sollte ich ihn im einzelnen beschreiben, mehrere Seiten fül en würde. Nur soviel sei gesagt: Das ganze Zimmer war mit Moosrosen in allen
Farben geschmückt, die Jinny nun einmal am liebsten hatte.
Und sogar das Badezimmer!
»Jinnykind«, sagte ich und schaute ihr ernst in die Augen, »bist
du auch wirklich brav gewesen, als ich dich in Kapstadt bei Shera-
man lassen mußte?«
Ihre Augen begannen zu funkeln, und ich sah, daß sie zornig war.
»Wenn du mir so etwas zutraust, warum hast du mich dann über-
haupt geheiratet, Jörg Helm?«
Zur Besänftigung wollte ich sie in die Arme nehmen, aber sie
stieß mich zurück.
»Wir wollen das ein für allemal heute klarstellen, Jörg«, sagte sie,
»Sheraman ist charmant, er ist äußerst gebildet und äußerst groß-
zügig, und wenn es dich nicht gegeben hätte, wäre es vielleicht, vielleicht möglich gewesen, daß ich mich in ihn verliebt hätte. So aber hat er mich behandelt wie ein Vater, der seine Tochter nicht verhätschelt und verwöhnt, sondern wie ein Vater, der seine Tochter
lieb hat. Und das ist alles. Ein für allemal, alles!«
Mich muß der Teufel geritten haben, denn ich sagte: »Aja, wenn
das so ist, womöglich setzt er dich dann eines Tages als seine Erbin ein?«
Und schon holte Jinny aus und gab mir eine Ohrfeige.
Die hatte ich verdient, dennoch drehte ich mich beleidigt um
und stapfte ins Bad und schloß hinter mir ab.
Jinnys kleine Handspur zeichnete sich deutlich auf meiner Wange
ab.
»Willkommen in New York, du Idiot«, sagte ich zu mir selbst.
Ich lauschte, hörte, wie Jinny unsere Koffer auspackte, und dazwi-
schen hörte ich immer wieder ein Schnupfen; na also, der Handaus-
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rutscher tat ihr schon leid.
Aber ich überließ sie noch eine Weile sich selbst, und dann trat
ich mit stählernem Gesicht, vorher gut geprobt, in den kleinen Sa-
lon, wo sie sich vor dem Kaminfeuer hingekauert hatte.
»Entschuldige, Jinnylein«, sagte ich, »du hast eben einen Trottel
geheiratet.«
»Das ist nicht wahr«, sagte meine streitlustige Jinny, »das würde
ich niemals tun! Einen Trottel heiraten, meine ich. Dann könnte
ich mir selbst ja nicht mehr in die Augen sehen.«
»Dann bin ich eben nur eifersüchtig.«
»Ja! Aber was mich so wütend macht, ohne Grund. Meinst du,
ich hätte nicht bemerkt, wie du damals im Schloßhotel die Man-
nequins beäugt hast?«
»Aber Jinny, keine war so schön wie du.«
»Dann hast du Knöpfe auf den Augen.«
»Aus lauter Liebe.«
»Ach, Jörg«, seufzte sie und streckte eine Hand nach mir aus. Ich
legte mich neben sie auf den Bauch und küßte sie auf die Nasen-
spitze.
Dabei blieb es natürlich nicht, und Jinny sagte schließlich: »Du
mußt noch runter in die Direktion. Aber mach es so kurz wie mög-
lich.«
Das Golden Globe wurde von einer Frau geleitet, die mich bat, sie Lydia zu nennen. Sie mochte um die Fünfzig sein oder auch Sechzig, und sie war in einer Weise gekleidet und zurechtgemacht, daß
es mir den Atem verschlug. Perlgraues Kostüm, hochgeschlossene
Bluse in blassem Lavendel, das weiße Haar, ebenfalls mit einem
Hauch von Lavendel, lag dezent gewel t um ihr Gesicht. Sehr hohe
Stirn, nur ahnbares Make-up. Ihre Augen, grau wie ihr Kostüm,
musterten mich sehr rasch, aber ich bin sicher, ebenso genau.
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»Nun, Jörg, Mister Sheraman hat Wunder von ihnen berichtet.«
Sie sprach leise, aber jedes Wort war wohl akzentuiert.
Ich wehrte ihr Lob mit einer Handbewegung ab.
»Nehmen Sie einen Sherry mit mir?«
»Danke, gern«, sagte ich, obwohl ich im Dienst ungern Alkohol
trinke.
Sie ging nicht einfach, sie
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