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Der Hoteldetektiv

Der Hoteldetektiv

Titel: Der Hoteldetektiv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Cordes
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Kommissar kam mit einem Kollegen. Der Kommissar
    war ein kleiner, schwächlich wirkender Mann, aber jedes der weni-
    gen Worte, die er sagte, war so präzise, als habe er es gerade jetzt und für diese Gelegenheit erfunden. Ich würde eng mit ihm zusam-menarbeiten; allerdings, wenn und falls wir uns im Hotel begeg-
    neten, ich meine in jenen vielen Räumlichkeiten, die für das Wohl-
    behagen der Gäste bestimmt sind, würden wir uns nicht einmal mit
    einem Blick verständigen, geschweige einander begrüßen.
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    Die Sitzung hatte bis gegen Mitternacht gedauert. Viel war nicht
    dabei herausgekommen, außer den Fakten: Die Frau eines leitenden
    Direktors des Golden Globe war ermordet worden, aus dem Tresorraum wurde Geld entwendet.
    »Ich erzähle dir lieber morgen alles auf einem Spaziergang«, sagte ich zu Jinny. Sie brachte mir einen Bourbon Jack Daniels Black Label, den ich dankbar genoß.
    »So schlimm?« fragte sie leise.
    »Noch schlimmer«, sagte ich.
    »Wil st du nicht jetzt noch etwas an die frische Luft? Schau doch
    mal, es ist Vollmond, und wir könnten doch im Park Spazierenge-
    hen.«
    »Nicht im Central Park, Jinny, das weißt du doch, ganz bestimmt
    nicht bei Nacht.«
    Sie kuschelte sich neben mich und legte ihre Wange an meine
    Knie. Wir schauten beide ins Kaminfeuer, das noch leise flackerte.
    Am nächsten Morgen machten wir unseren Spaziergang im Central
    Park. Selbst da war ich froh, daß ich darauf bestanden hatte, daß
    Jinny Schuhe mit flachen Absätzen trug, falls wir mal ganz schnell laufen müßten.
    Dabei sieht alles so friedlich aus.
    Und doch gibt es hier selbst am Tage Überfälle. Wozu wären
    sonst die berittenen Wächter da?
    Aber es geschah nichts, und ich erzählte Jinny, was sich in unse-
    rem Hotel ereignet hatte.
    Sie blieb lange still, dann fragte sie: »Hast du dir diesen George genau angesehen?«
    »Natürlich.«
    »Und?«
    »Er steht noch immer unter Schock, aber er will arbeiten. Er hat
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    Lydia gesagt, sonst dreht er durch. Also beläßt sie ihn auf seinem Posten.«
    »Und sein Sohn, was hat der für ein Problem?«
    »Drogen, nehme ich an. Wie so viele junge Leute heute.«
    »Könnte da eine Verbindung sein? Wenn der Junge Drogen
    nimmt, braucht er Geld. Und wenn sein Vater –«
    »Nein, George hat mit dem Tresorraum nicht das geringste zu
    tun«, unterbrach ich sie.
    »Aber es könnte doch sein, daß er über die neuen Maßnahmen,
    von denen Lydia sprach, informiert ist. Schließlich ist er der zweite Manager des Hotels.«
    »Jinny, ein solcher Mann setzt doch nicht sein Ansehen, seine
    Position und vielleicht sogar sein Leben aufs Spiel.«
    Aber ich muß gestehen, der Gedanke nagte an mir, ließ mich nicht
    los. Ja, Joana und George hatten in letzter Zeit oft Streit gehabt, immer war es um den Jungen gegangen, immer um den ältesten
    Sohn. Ich wollte Vater und Sohn einmal so genau wie möglich un-
    ter die Lupe nehmen.
    Bei George war es sehr einfach. Ich fuhr mit ihm im Aufzug runter
    und stolperte so unglücklich, daß ich gegen ihn flog. Ihm flog da-
    bei seine Attachetasche aus der Hand und platzte auf; aber darin
    waren nur Papiere, Arbeit, die er wohl mit nach Hause nehmen
    wollte.
    Ich entschuldigte mich höflichst, er nahm die Entschuldigung
    höflichst an.
    Wir gaben natürlich beide nicht zu erkennen, daß wir uns kann-
    ten.
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    Bei seinem Sohn, George zwei, war es ebenfalls nicht allzu schwer, ihn zu überwachen. Er verließ das Apartment seiner Eltern eigentlich nur, um an die Ecke ins Borsalino zu gehen und riesige Mengen Spaghetti in sich hineinzuschlingen. Er trank ein einziges Glas Wein dazu, nie mehr. Er bezahlte immer bar und ging wieder nach Hause.
    Wir kamen einfach nicht weiter, weder die Polizei mit der Klärung
    des Mordfalles noch ich mit der Aufklärung, wo und wie genau das
    Geld – immer noch mit schöner Unregelmäßigkeit – aus dem Tre-
    sorraum verschwand.
    Und dann kam der Abend, an dem Jinny und ich im Golden-Globe-
    Raumspeisten. Das Golden Globe hat seinen Namen von einem goldenen Globus, der sich unter der hohen blauen Decke unablässig
    dreht, wie die Erde. Wie alle Tische in den Sheraman-Hotels waren
    auch diese hier mit Blumen geschmückt. Allerdings unterschieden
    sie sich von den üblichen – sie waren allesamt aus feiner Seide gefertigt, wie ich sie in der Werkstatt eines alten Chinesen in Hongkong gesehen hatte. Sie waren in den zartesten Farben gehalten, nur hier und da mischte sich eine goldene Rose dazwischen, was

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