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Der Hoteldetektiv

Der Hoteldetektiv

Titel: Der Hoteldetektiv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Cordes
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noch keine Fältchen hinterließ.
    »Reis, Fleisch, Wäsche – und hast du Gemüse schon nachge-
    prüft?«
    Ich tat es eilends.
    Auch da waren die ausgegebenen Summen weit überhöht.
    »Alkohol?«
    »Normal«, stellte ich fest.
    »Zigaretten?«
    »Wahnwitzig hoch.«
    Jinny machte ihre Augen so geheimnisvoll wie eine siamesische
    Katze.
    »Chinesen essen gerne Fleisch, vor allem Schweinefleisch, das gleiche gilt für Gemüse. Sie sind auch sehr reinlich, und sie rauchen
    gern. Was ist mit den Rechnungen über Bier?«
    »Ebenfalls riesig.«
    »Also halten sich mehr Chinesen im Hotel auf, als es normal
    wäre.«
    »Aber wo?«
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    »Im Keller«, sagte Jinny einfach.
    »Du meinst –«
    »Flüchtlinge«, sagte sie. »Von den Leuten auf den Booten oder
    auch vom Festland.«
    »Aber wieso?«
    »Jörg, es ist doch ganz einfach. Der letzte Taifun hat ganz hart
    zugeschlagen. Viele der Boatpeople sind obdachlos geworden. Dazu
    kommen täglich Dutzende von Chinesen über die Grenze von Rot-
    china, und der Mister Börgenson hat eine chinesische Frau. Es gibt zwei Arten von Familien, die wie Pech und Schwefel zusammen-halten, das sind die italienischen und die chinesischen. Ich habe es einmal in Rom erlebt. Da wohnten sage und schreibe sechsunddreißig Personen in einem einzigen Zimmer, ernährt von unserem
    Portier.«
    »Aber wenn es so ist, daß sie vor dem Taifun geflüchtet sind und
    aus Rotchina, dann können wir sie doch nicht raussetzen?«
    Jinny schaute mich mit ihren sehr blauen und sehr klaren Augen
    an.
    »Jörg«, sagte sie schließlich, »du wirst feststel en, daß dieses Hotel vollkommen übervölkert ist mit Angestellten. Unserem europäischen Auge fällt es ja zu Anfang schwer, sie auseinanderzuhalten,
    aber ich habe zufällig ein Gehör für Stimmen. Während du bei
    Börgenson warst, kamen drei verschiedene Li's auf mein Läuten hin.
    Das kann kein Hotel verkraften. Und wir tun den Leuten auch kei-
    nen Gefallen damit, sie werden hier nur knapp am Leben erhalten.
    Sie bekommen ihre Schale Reis und Gemüse und Fleisch. Aber wie
    lange? Wenn du dem kein Ende machst, wird es jemand anderes
    tun, und zwar viel drastischer. Er wird die armen Menschen einfach rauswerfen.«
    Eine halbe Stunde später traf ich noch einmal mit Börgenson in
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    seinem Büro zusammen.
    Er gab zu, die Flüchtlinge auf Bitten seiner Frau im Hotel aufge-
    nommen und beköstigt zu haben. Wie es weitergehen sol te, wußte
    er jedoch nicht.
    »Sie müssen sich alle melden«, sagte ich, »wir werden sie dabei
    unterstützen. Ich meine, wir werden die Leute wirklich nicht im
    Stich lassen. Und ich bin sicher, man wird Arbeit für sie alle finden. Und vor allem Unterkunft.«
    »Eine gute Idee«, sagte Börgenson und umklammerte meine Hän-
    de. »Eine wirklich humane Idee.«
    Aber leider stel te sich heraus, daß noch in derselben Nacht acht-
    zig Prozent der Flüchtlinge sich verflüchtigten.
    Nur zwanzig Prozent blieben zurück, darauf vertrauend, daß wir
    ihnen helfen würden.
    Jinny – allen voran – fand Arbeitsplätze für sie. Jinny – allen vor-an – fand Quartiere.
    Am Tage unserer Abreise aus Hongkong fanden wir auf dem
    Kopfkissen von Jinny eine Jadeskulptur; es war ein lächelnder
    Buddha, der in jedem Arm ein Kind hielt.
    Wir besitzen ihn noch heute. Und manchmal bekommt Jinny
    ganz träumerische Augen, denn seither sind wir – bisher – nie wie-
    der in Hongkong gewesen.
    Golden Globe
    eder Jinny noch ich waren bisher in Amerika gewesen.
    WWir hatten natürlich eine Menge darüber gelesen, auf eng-
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    lisch, versteht sich, und wir hatten auch eine Menge amerikanischer Filme gesehen.
    Dennoch deckten wir uns mit Straßenkarten und jeder Menge
    Reiseführer ein.
    Und wir genossen den Flug über den Atlantik in vollen Zügen,
    während wir uns an den vortrefflichen Speisen und Weinen der ers-
    ten Klasse labten.
    »Wall Street«, sagte Jinny träumerisch, »die Börse. Stell dir bloß vor, da kann man in einem Tag ein Millionenvermögen machen.«
    »Und es auch wieder verlieren«, sagte ich.
    »Sei doch nicht so prosaisch. Stell dir doch bloß mal vor, wir
    machten eine Million oder auch zwei.«
    »Und was soll ich dann tun, den Frührentner spielen?«
    »Die New Yorker Börse ist das größte Spielkasino der Welt,
    schreibt hier einer im Wall Street Journal, der es wissen müßte.«
    »Ich habe einmal in Beirut gespielt und meine Ersparnisse von
    einem halben Jahr verloren.«
    »Trotzdem darf ich doch wenigstens

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