Der Hoteldetektiv
Jeans. Seiner Freundin zuliebe, die das super fand, hatte er sich einen blonden Walroßschnurrbart wachsen lassen.
Er unterschied sich äußerlich nur wenig von den Typen, die an
dem fraglichen Augustmorgen vor dem Postamt in Berlin-West II
herumlungerten, weil's da einen Springbrunnen gab und in der
Nähe eine Wurstbude, und überhaupt gehört die Straße ja den
Typen von der langen Mähne.
Fünf vor zwölf, die Post sollte gerade schließen, kam ein Mäd-
chen in Begleitung von zwei Jungs, die ihre Haare mit breiten roten Stirnkordeln gebändigt trugen.
Die Beschreibung von Elisabeth Markus, die Kärtner von Jinny
erhalten hatte, traf genau auf das Mädchen zu.
Kärtner folgte dem Trio in die Post, wo Elisabeth die zweihundert
Mark ausgehändigt wurden, die Professor Markus gesandt hatte.
»Der alte Sack«, sagte das Mädchen, »so ein Geizfimmel!« Sie
sprach von ihrem Vater.
Einer der Jungs grinste. »Laß den erst mal vor Angst in die Hose
scheißen, dann wird er schon mehr ausspucken.«
Kärtner nahm das Mädchen und die beiden Jungs fest, weil sie
sich nicht ausweisen konnten.
Sie ließen es überraschend willig geschehen. Sie wollten sich tot-
lachen darüber. Sie hatten ja einen festen Wohnsitz.
Beim Verhör kam folgendes heraus.
Elisabeth Markus, 19 Jahre alt, Drogistin, wohnhaft in Berlin, gab folgendes zu Protokoll:
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»Mein Alter dachte, der Sven und ich, wir hätten das Ding im
Supermarkt gedreht. Ich fand das urkomisch. Wir waren's nicht.
Nee, so was ist uns zu heiß. Aber ich ließ den Alten in seinem
Glauben. Der hatte seine fette Pension und tat nichts damit, als
alles auf die hohe Kante zu legen und einmal im Jahr seine Ferien
zu machen. Wo, das hat mich nie interessiert. Ich war immer froh,
wenn er weg war. Dann hatte ich die Bude frei. Aber da fand ich
grad an einem Tag so 'ne Rechnung aus so 'nem stinkfeinen Hotel.
So 'ne Gemeinheit, dachte ich, mir spielt er immer den Sparsamen
vor, und in Wirklichkeit macht der sich ein superfeines Leben. Der Sven kam dann auf die Idee. Der gab mir fünfhundert Pipen, und die versteckte ich in meinem Zimmer, so, daß mein Alter sie finden sol te. Und das tat er prompt. Und da war natürlich high noon. Ich versprach, mich zu bessern, und ging deswegen nach Berlin. Ich
schrieb ihm regelmäßig, wie gut es mir gehe und daß ich ein bra-
ves Mädchen geworden sei. Und dann fuhr er wieder in Ferien, und
da war die Zeit reif. Da hab' ich ihm halt geschrieben, die Verbrecher, die hätten mich in ihre Gewalt gebracht und verlangten jetzt Lösegeld. Und da hat der Alte auch prompt geblecht.«
Tatsächlich stel te sich bald heraus, daß Elisabeth und ihre Freunde nichts mit dem Einbruch in den Supermarkt zu tun hatten. Und
selbstverständlich zeigte Professor Markus seine eigene Tochter
nicht wegen Erpressung an.
Übrigens, zuerst wollten wir unserem lieben alten Gast das Pro-
tokoll der Vernehmung durch Kärtner ersparen, aber Jinny meinte,
wenn wir das tun, wird seine Tochter ihn für den Rest seines Le-
bens schikanieren.
Also zeigte ich ihm den Bericht. Er saß ganz still da.
»Ich hätte nicht so spät heiraten dürfen. Ich war schon zu alt, als meine Tochter geboren wurde. Ich habe sie nie richtig verstanden«, 120
sagte er schließlich leise.
Gegen Elternliebe kann man nichts tun.
Sie wird wohl immer verstehen und sich selbst die Schuld aufbür-
den.
»Sie sollten Ihrer Tochter ein für allemal Verstand beibringen«,
sagte ich. »Ganz hart.«
Er schüttelte langsam den Kopf. »Tue ich das, wird sie ganz ver-
loren sein.«
»Aber Sie selbst, Sie müssen auch an sich selbst denken!«
»Auf mich kommt es nicht mehr an. Ich bin ein alter Mann.
Aber auf die Jugend. Auf Elisabeth. Ich muß mich um sie küm-
mern. Es ist meine Pflicht.«
»Bleiben Sie wenigstens noch ein paar Tage bei uns.«
»Wenn ich Ihnen keine Last bin?«
»Ich würde gerne Schach lernen, und Jinny hat mir erzählt, daß
sie ein Meister darin sind.«
»Ja, aber leider nicht im Pokern.« Er lächelte verloren, ein biß-
chen selbstironisch.
Professor Markus blieb noch eine Woche bei uns. Er lehrte mich
Schach und half Jinny im Garten Rosenstöcke veredeln.
Als wir ihn zum Flughafen nach Barcelona brachten, wußten wir,
er würde uns fehlen.
Er ging ein wenig gebeugt und doch mit weitausholenden Schrit-
ten, in seinem weißen Leinenanzug und mit dem Panamahut. Er
wandte sich noch einmal um und winkte uns zu.
Es war das letzte Mal,
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