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Der Hügel des Windes

Der Hügel des Windes

Titel: Der Hügel des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmine Abate
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bereits für einen anderen Namen entschieden hatte, nämlich für Sofia nach der Großmutter väterlicherseits, nickte verwirrt lächelnd.
    Gegen Abend, nachdem er sich lange mit seiner Frau beraten hatte, verkündete Arturo den offiziellen Namen der Tochter: »Wir nennen sie Sofia Antonia Arcuri«, sagte er, »das klingt doch sehr hübsch, oder?« Doch als am darauffolgenden Tag scharenweise die Freunde und Verwandten eintrafen und Hühner, Hähnchen, Tauben, Eier, Liköre, Honig und selbstgewebte Babydeckchen mitbrachten, bedachten sie das Kind mit den niedlichsten Abwandlungen des Zweitnamens: Antonella, Antonuzza, Antonina, Nuccia, Nina, Ninarè, Nenella, Ninarella.
    Die Großmutter nahm es nicht übel: »Was soll der Unsinn, ein Name ist so gut wie der andere, ich danke dem heiligen Antonius, dass die Kleine sanizza ist, alles andere ist mir gleich.«
    Der Bruder versuchte, seine Eifersucht auf diesen groß- und kahlköpfigen Eindringling zu verbergen, der ihm innerhalb weniger Stunden seinen Thron streitig gemacht hatte und trotz allem so süß war: Er legte sich neben die Mutter aufs Bett und schirmte das Baby mit dem Arm vor den Küssen und Liebkosungen der Verwandtschaft ab. Ein Verhalten der Schwester gegenüber, das er sein ganzes Leben beibehalten sollte. Und von all den Namen, die er in den vergangenen zwei Tagen gehört hatte, war seine Wahl auf Nina gefallen. Was er tags darauf nach einigem Grübeln endgültig in Ninabella umwandelte, in friedlicher Koexistenz mit dem Doppelnamen, den von da an nur noch der Vater verwenden sollte.
    »Sofia Antonia, Papas Augenstern, schenk deinem Papi ein Lächeln«, und Ninabella erfüllte ihm nach kurzer Verwirrung den Wunsch.
    Arturo genügte ein zahnloses Lächeln seiner Tochter, um alle Widrigkeiten und Mühen zu vergessen, die elenden und hässlichen Seiten des damaligen Lebens. Nichts konnte ihn schrecken, auch nicht Don Licos hinterlistige Versuche, mit allen Mitteln den Rossarco an sich zu reißen: im Bösen, indem er ihn mit verklausulierten Schreiben diverser Anwälte aus Cirò bombardierte, welche die Gültigkeit der Urkunden über die erworbenen Ländereien in Zweifel zogen und zum Verkauf rieten, wollte man alle Sorgen los sein; oder im Guten, indem er ihm ein ganzes Kaninchen, zwei Flaschen besten Weißweins und ein Glückwunschkärtchen zur Geburt der Tochter schickte.
    Arturo ließ die Briefe an den Absender zurückgehen, da er sie weder ernst nahm noch ihre Einzelheiten verstand, und bedankte sich für die Geschenke, die er bei nächster Gelegenheit erwidern würde. Er widerstand dem Druck, ohne nervös zu werden. Mit seinem Optimismus und seinem Tatendrang steckte er seine Frau, die Kinder und seine Eltern an. Aus Aberglaube sagte er niemals »Ich bin glücklich«, denn er wusste, dass das Unglück brachte, doch genau das war er, glücklich, und seine Frau spürte es Tag und Nacht, sie liebte ihn mehr denn je, auch wenn sie niemals den Mut aufbrachte, ihm das mit Worten zu sagen.
    Mit dem Ende der Trockenlegungs- und Ausgrabungsarbeiten stürzte sich Arturo kopfüber in die Landarbeit. In diesem Jahr hatte er die doppelte Fläche ausgesät, und nun wogten die Ähren träge und schwer von dicken Getreidekörnern inder lauen Brise. Der Hügel sah aus wie ein goldenes Meer, und sein Schatten kräuselte sich in den echten Wellen, die glitzernd bis zum Horizont reichten.
    »Und wer soll dir jetzt all das gute Getreide abkaufen?«, fragten die Verwandten, die ihm beim Mähen geholfen hatten, eingedenk der Boykotte der vergangenen Jahre.
    »Ihr werdet schon sehen, ich behalte das, was ich für die Familie brauche, und den Rest verkaufe ich bis auf das letzte Körnchen mit doppeltem Gewinn.«
    Die Verwandten schüttelten den Kopf: »Du bist genau wie dein Vater, erträumst dir das Leben, wie es dir passt, und am Ende beziehst du Prügel.«
    »Wollen wir wetten, um ein Fässchen Wein?«
    Sie nahmen Arturo seine naive Großspurigkeit nicht übel und lachten wie über einen guten Witz: »Wir wetten um nichts, weil du unser Fleisch und Blut bist und wir dich nicht übers Ohr hauen wollen.«
    Sie hätten die Wette verloren. Arturo brachte fast das gesamte Getreide in eine der Mühlen von Giglietto, dann hievte er die Mehlsäcke auf seinen Eselskarren und zog damit nach Marina, wo er viele Freunde hatte, um es direkt von Tür zu Tür für einen etwas niedrigeren Preis als auf dem Markt zu verkaufen, doch für viermal mehr, als er von den Großhändlern bekommen

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