Der Hügel des Windes
hätte.
Mit den leeren Säcken und einem ordentlichen Sümmchen Geld in der Tasche kehrte er nach Hause zurück. Er selbst behielt nur das Nötigste für Tabak und die Erhaltungskosten des Rossarco, den Rest händigte er seiner Frau aus: »Leg das Geld beiseite für Michelangelo und Sofia Antonia.«
Schließlich nahm er seine Kinder in den Arm, küsste sieabwechselnd, damit Michelangelo nicht eifersüchtig wurde, auf die Stirn und improvisierte für die beiden ein kleines Liedchen: »Blume im Wind, ich küss dich geschwind, alle Qual ist dahin, und mein Herz hebt sich hin, du Blume im Wind.«
7
Die Kinder wuchsen heran, gesund und gescheit, seine Frau erblühte weiter in Schönheit trotz der zwei Geburten, der Fehlgeburten und der zehrenden Arbeit, die sie nach fast einem Jahr fürstlichen Wohllebens wieder aufgenommen hatte. Arturo kehrte zerschlagen vom Rossarco zurück, wusch sich, aß mit Appetit und ging jeden Abend auf die Piazza, um dort seine Genossen zu treffen.
Anfangs hatte man im Dorf das autoritäre System des neuen faschistischen Regimes nicht zu spüren bekommen. Der erste Bürgermeister wusste, dass Spillace ein Nest eingefleischter Sozialisten und Kommunisten war, schließlich war er seinerzeit ebenfalls Sozialist gewesen wie im Übrigen auch Mussolini selbst, so der Bürgermeister, der es daher nicht über sich gebracht hatte, die Versammlungssäle der gegnerischen Parteien zu schließen: Er konnte ja schlecht die gesamte Dorfgemeinschaft bestrafen oder einsperren.
Auf der Piazza kritisierten Arturo und seine Genossen keck Mussolinis Tun, die Aufhebung des Visocchi-Dekretes, die sie persönlich betraf, den Unsinn der faschistischen Versammlungen, an denen sie nicht teilnahmen, aus Prinzip und weil sie natürlich auf den Feldern zu tun hatten.
Die Dinge änderten sich grundlegend, als Don Lico Bürgermeister wurde. Ihm gehörten bis auf den Rossarco sämtliche Ackerflächen und alle Wälder rings um Spillace und die anderen Dörfer der Umgebung. Seine wirtschaftlicheMacht hatte seit jeher außer Frage gestanden, nun festigte sich ganz legal auch seine politische Macht: Von heute auf morgen wurde aus Don Lico ein absoluter Monarch, ein Mussolini en miniature , dazu ebenso kahl und glutäugig wie jener, doch weniger robust und kleiner als das Original.
Als Gutsbesitzer erhöhte er seinen Untergebenen den ohnehin schon unverschämten Pachtzins von etwa einem Zentner Getreide, nur vom Besten, versteht sich, pro Morgen Land. Als Bürgermeister verdoppelte er innerhalb einer Woche sämtliche kommunalen Gemeindesteuern.
Die Bevölkerung rebellierte in Massen: Steine flogen gegen die Fenster des Amtssitzes, jemand feuerte Gewehrschüsse in die Luft, das Eingangstor wurde in Brand gesteckt, und zahlreiche Bauern auf ihren Maultieren umstellten wie Indianer seine kleine Festung.
Die Reaktion von Don Licos bewaffneten Männern erfolgte prompt und brutal: Prügel, gewaltsame Verabreichung von Rizinusöl, Einschüchterung der sogenannten revolutionären Aufrührer, deren Anführer angezeigt und von den Carabinieri eingesperrt wurden.
Arturo bekam zu seiner eigenen Überraschung keine Anzeige, obwohl er in der vordersten Reihe protestiert hatte. Dann begriff er.
Eines Sonntags unterhielt er sich mit ein paar Genossen auf dem Dorfplatz im Schatten einer Ulme, als er Don Lico mit zwei vierschrötigen Fremden aus dem gegenüberliegenden Haus kommen sah. Ein Genosse sagte: »Dass der es überhaupt noch wagt, sich auf der Straße zu zeigen, nach allem, was er sich geleistet hat.«
Die drei Männer im Sonntagsstaat spazierten gemächlich umher, genossen die Sonne, lächelten. Zunächst drehten sieeine ziellose Runde, dann kamen sie direkt auf die Ulme zu. Arturo und seine Freunde grüßten ehrerbietig, was nicht minder höflich erwidert wurde, »wie geht es, strahlender Tag heute, ist es nicht schön hier« und ähnliche Belanglosigkeiten, bis sich Don Lico direkt an Arturo wandte: »Wenn du erlaubst, würde ich dich gerne unter vier Augen sprechen.«
»Sprecht nur, ich bin ganz Ohr«, erwiderte Arturo in seiner gewohnten Keckheit, die er vor den anderen noch unterstrich.
»Nicht hier, wo jeder mithört, komm zu mir nach Hause, dann trinken wir etwas, es kostet dich höchstens fünf Minuten.«
Arturo wusste nicht, was er antworten sollte, insgeheim wollte er auf keinen Fall nachgeben. Er suchte Unterstützung in den Blicken der Genossen, und diese sagten: »Geh nur, geh, Compà, wir warten hier auf
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