Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hügel des Windes

Der Hügel des Windes

Titel: Der Hügel des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmine Abate
Vom Netzwerk:
Eure Großzügigkeit während der Ausgrabungen von Punta Alice kennengelernt hat.
    Glaubt mir, ich sage es Euch nicht gern, aber da zurzeit nur die Mutter arbeitet, brauchen wir Geld zum Leben und für meine Ausbildung, denn ich habe die Zulassungsprüfung zum Lehramtsinstitut bestanden und werde inCatanzaro zur Schule gehen. Meine Familie hat ein paar Ersparnisse, aber die reichen nicht weit, und mein Vater lebt immer noch in der Verbannung. Unser einziger Reichtum sind unser Hügel und diese Münzen, die der Großvater mit Hilfe des heiligen Antonius gefunden hat. Ich schicke Euch eine Zeichnung der sieben Münzarten, die wir besitzen, sie sind garantiert mit dem Original identisch. Meine Schwester Sofia Antonia hat sie gemacht, die im Zeichnen wirklich die Beste in ganz Spillace ist und später auch einmal studieren möchte. Sie hat sie grau, gelb und dunkelbraun angemalt, damit Ihr wisst, aus welchem Metall sie sind.
    Könnt Ihr uns bitte sagen, ob Ihr an einem Ankauf interessiert seid und was die einzelnen Münzen wert sind, ob und wann Ihr eventuell wieder nach Spillace kommt, um sie mit eigenen Augen zu sehen, oder ob wir zu Euch kommen sollen? Ich garantiere Euch, dass die Münzen in gutem Zustand sind und wirklich wunderschön, außer zwei bronzenen, die sehr abgenutzt sind.
    In freundlicher Erwartung Eurer Antwort verbleiben wir mit hochachtungsvollen Grüßen
    Arcuri Michelangelo und Familie.«
    Der Junge ließ den Brief sinken, umringt von seinen Verwandten. Er hatte zwei Tage für die Rohfassung gebraucht, unter Aufsicht des Großvaters, der ihm auch geraten hatte, die Anzahl der verkauften Münzen zu verschweigen. Um sich nicht zu blamieren, war er mit einzelnen orthographischen, lexikalischen und syntaktischen Zweifeln zu Lehrer Tavella gegangen, ohne ihm jedoch den gesamten Inhalt des Schreibens zu offenbaren. Dann hatte er ihn ins Reine geschrieben.
    Alle waren begeistert von seinem Können, das klang ja wie der Brief eines Anwalts, sagten sie, wie die druckreife Rede eines Priesters oder eines wahren Lehrers. Ein Extralob hielten sie für Ninabellas Zeichnungen bereit, die präzise waren wie Fotografien.
    Seit Monaten wurde im Hause Arcuri im Flüsterton über die Notwendigkeit diskutiert, die Münzen zu verkaufen, doch man wusste nicht, an wen man sich wenden sollte, der Großvater vertraute niemandem aus der Gegend, und die Großmutter war überhaupt gegen jeden Verkauf, sie wollte die Münzen wieder bis in alle Ewigkeit vergraben sehen, denn sie brachten rabenschwarzes Unglück, das wusste sie, die Todesbeweise trug sie in ihrem Herzen, das Herz irrt nie, Albè, und der Großvater wurde böse auf sie und ihren altmodischen Kopf, während Lina und der Enkel sie noch zu überzeugen versuchten, dass nicht die Münzen ihre Söhne ermordet hatten, sondern der Krieg, der verdammte Krieg, todbringend wie alle Kriege.
    Zum Glück hatte sich Lina daran erinnert, dass Professor Paolo Orsi ihnen vor seiner Abreise seine Adresse in Syrakus hinterlassen hatte, mit der Aufforderung, ihm zu schreiben, wenn weiterer Antikplunder auftauchen sollte.
    Um nicht aufzufallen, wurde der Brief auf dem Postamt von San Nicola aufgegeben. Nichts fürchteten die Arcuris mehr als die neidvollen Hirngespinste der Leute aus Spillace. Daran konnten sie sich einfach nicht gewöhnen, sie fanden sie heimtückisch und gemein wie ein Messer im Rücken. Nach vorne lächelten dich alle an, priesen dich, wünschten dir nur das Beste, gutes Vorankommen, doch hintenherum meuchelten sie dich mit infamen Gerüchten: dass DonnaLina sich als immer noch junge und gefällige Frau ohne Ehemann in der Casella mit einem gutaussehenden Kerl aus Marina treffe oder gar mit dem Gutsverwalter aus Spillace, der sie manchmal unter dem Vorwand besuche, die üblichen Botschaften Don Licos zu überbringen; und Arturo, der war ja nie ein echter Kommunist gewesen – was sollte das auch für ein Kommunist sein, der einen ganzen Hügel mit massig Feldern, Weinbergen, Oliven- und Obsthainen besaß? –, sondern ein gescheiterter Emporkömmling, der an Don Licos Stelle rücken wollte, weshalb er ihn auch mit dem Tode bedroht hatte, und jetzt, ganz zu Recht, einen schönen Inselurlaub verbrachte, von wegen Verbannung und ach so schlimm wie im Gefängnis; und dem alten Alberto hatte es den Kopf verräuchert, und er war total vertrottelt; und die Enkel dieser armen Träumer, die glaubten, studierte Leute werden zu können wie die Söhne von Don Lico oder vom

Weitere Kostenlose Bücher