Der Hühnerführer: Roman (German Edition)
Das kommt darauf an.“
Fleischer schenkte Alexander großzügig ein: „Worauf denn?“
„ Ob Sie mir helfen.“
„ Das kommt darauf an.“
„ Worauf?“
„ Natürlich darauf, worum es sich handelt.“
„ Geld.“
„ Oh.“ Er stellte die Flasche ab. „Das ist schwierig. Unser Budget ist seit dem Zusammenbruch ...“
„ Nein, nein.“ Alexander winkte ab. „Sie verstehen mich falsch.“
Fleischer sah Alexander einigermaßen ratlos an.
„ Es geht um richtiges Geld. Einen Kredit. Einen richtigen Kredit.“
„ Herr Alexander. Ich kann Ihnen nicht folgen.“
Wortlos schob Alexander seinem Gegenüber den Ordner zu.
„ Den Namen der Firma habe ich geschwärzt. Sie bekommen ihn, wenn ich das Geld habe. Vorausgesetz ich erhalte es rechtzeitig.“
„ Rechtzeitig?“
„ Lesen Sie, dann verstehen Sie.“
***
Als er die knapp zwanzig Seiten durch hatte, spürte Fleischer, wie seine Wangen glühten. Das war er. Der Jackpot, auf den jeder Mensch wartet. Und ausgerechnet Alexander, der kleine Möchtegern-Agent spielte ihm das Blatt zu. Er griff nach seinem Glas, musste seine gesamte Willenskraft aufbringen, um seine Hand ruhig zu halten.
Er leerte den Drink in einem Zug.
Dann entkorkte er die Flasche wieder, wollte Alexander einschenken, sah dass dieser sein Glas nicht einmal angerührt hatte, zuckte mit den Schultern und füllte sich selbst noch drei Fingerbreit nach.
Dann nahm er einen weiteren tiefen Schluck, lehnte sich zurück, verschränkte die Finger vor seinem Bauch und sah Alexander forschend an.
„ Geben Sie mir einen Tipp.“
Alexander lächelte nur.
Fleischer lächelte zurück.
„ Hätte mich auch gewundert.“
Kurze Pause.
„ Wie viel brauchen Sie?“
***
Nachdem Dvorschak gegangen war, saß Fleischer noch eine ganze Weile hinter seinem Schreibtisch und starrte auf die geschlossene Tür seines Büros. Der erster Impuls, dem er auch gehorcht hatte, war, sofort nach dem Telefonhörer zu greifen. Dann hatte er jedoch behutsam aufgelegt.
„ Denk' nach“ hatte er sich selbst zugeflüstert. „Denk' nach.“
Im Geiste ging er den Inhalt der Unterlagen, die Dvorschak wieder mitgenommen hatte, noch einmal durch. Demnach hatte eine Pharmafirma, die aufgrund mehrerer gescheiterter Patente in gefährliche finanzielle Schieflage geraten war, ein Wundermittel gegen Aids entwickelt. Das Medikament befand sich noch in der Testphase. Diese würde in zwei Wochen offiziell abgeschlossen sein. Aber laut den Abhörprotokollen und den aus einem Hotelzimmer entwendeten Unterlagen stand bereits fest, dass das Medikament Marktreife erlangen würde.
Und jetzt kam der Clou: Die Firma hatte nicht mehr genug Kraft, um das Medikament sofort und großflächig auf den Markt zu bringen. Außerdem hatte das Unternehmen ob seiner Schwierigkeiten einen solchen Reputationsschaden erlitten, dass die Banken wohl nur sehr zögerlich den notwendigen Kredit einräumen würden. Also hatte man sich an den Marktführer gewandt. Mit der Bitte um Übernahme – und zwar des gesamten Unternehmens. Im Deal inbegriffen: Saftige Boni für das Management.
All das hätte Fleischer egal sein können – wäre das Unternehmen nicht an der Börse notiert. Trat die Übernahme erst ans Licht der Öffentlichkeit, würde sich die am Boden liegende Aktie in ihrem Wert verzigfachen.
Fleischer rieb sich die Stirn. Es war die Chance. Die, die nur einmal im Leben kam. Er konnte keinen Haken entdecken. Daran, dass die Dokumentation authentisch war, hatte er keinen Zweifel. Der Großteil der Fakten war einer breiten Öffentlichkeit bekannt, dass eine „Killer-Applikation“ wie es in diesen Tagen so schön hieß, geheim gehalten wurde, um für alle Beteiligten den größtmöglichen Nutzen zu erzielen, war keine Strategie, die in den 90er-Jahren erfunden worden war.
Er atmete ein letztes Mal tief durch. Dann hob er den Hörer ein weiteres Mal ab. Er holte sein kleines Adressbuch aus der Schublade. Als er den Namen neben der Nummer las, zögerte er noch einmal. Nur den Bruchteil einer Sekunde, aber trotzdem. Wenn er diesen ersten Schritt setzte, gab es kein Zurück mehr. Ab dann war es auf Leben und Tod – todsichere Sache hin oder her.
Er wählte die einzelnen Ziffern.
Es läutete einmal. Zweimal.
„ Ja?“
„ Herr Edi?“
„ Am Apparat.“
„ Hier Fleischer.“
„ Fleischer?
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