Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman
Brunichild innegehabt hatte. Früher, als Felix noch bei ihnen war. Inzwischen rechnete sie nicht mehr damit, dass sich Wittiges wieder auf die Suche nach ihm machte. Sicher hatte er sich mit dem Verlust mittlerweile abgefunden. Nun war ja dieser andere Junge da. Ulf.
„Mir wird kalt“, erklärte Viola, stand auf und schaute kritisch auf sie herab. „Jedes Mal, wenn ich dich nackt sehe, bist du dünner geworden.“
„Das täuscht“, entgegnete Aletha träge und strich sich über die flache Wölbung ihres Bauchs, unter der der Schmerz lauerte. Pontus braute ihr ab und zu einen Sud aus Kräutern zusammen, zu denen eine kleine Menge Bilsenkraut gehörte, das er im Sommer getrocknet hatte. Der Sud versetzte sie in eine gewisse Empfindungslosigkeit, aber sie wusste, dass sie das Gebräu weder häufig noch in zu großen Mengen zu sich nehmen durfte.
Sie beobachtete, wie Viola aus dem Becken stieg. Jedesmal überraschte es sie, wie grazil und zugleich üppig ihr Körper war. Im Licht der hohen Kandelaber glänzte die nasse Haut, als sich Viola, ein Bein vorgeschoben, eine Hüfte ein wenig gedreht, das Wasser aus den Haaren wand. Es war ein uraltes Bild weiblicher Anmut, festgehalten in marmornen Statuen, als wohne darin auf ewig der Hauch der Götter. Eine Magd breitete ein Tuch aus, im Begriff, Viola darin einzuhüllen.
In diesem Moment betrat ein Mann das Bad und blieb mit einem Ruf der Überraschung stehen.
Es war Wandalenus, der Viola ohne jede Hemmung unverhohlen anstarrte.
Hinter ihm tauchte eine der älteren Mägde auf. „Ihr hab dir gesagt, du hast hier keinen Zutritt. Die Frauen wollen allein sein.“
Während Wandalenus die Magd abwehrte, die ihn am Ärmel zog, ließ er den Blick Zoll für Zoll über Violas Körper wandern, als wollte er sich ihr Bild für immer einprägen. Sein Starren hatte eindeutig etwas Besitzergreifendes. Natürlich ließ sich Viola wie jede gepflegte Frau regelmäßig die Scham enthaaren, und Aletha brauchte keine Fantasie, um sich vorzustellen, was in dem Mann vorging, als sein Blick schließlich darauf verweilte.
„Es tut mir leid“, schnarrte er, rührte sich immer noch nicht vom Fleck, „ich habe mich in der Tür geirrt.“
„Das hat er nicht!“, zeterte die Magd. „Ich hab ihm gesagt, dass du badest, Herrin, aber ...“
„Hinaus!“, brauste Viola auf einmal auf. Wütend riss sie der Dienerin das Tuch aus den Händen und schlang es sich um die Hüften, rannte zu ihren Kleidern, die auf einer in die Wand eingelassen Bank lagen, und griff nach ihrem Dolch.
Aletha schrie auf. Endlich kam Wandalenus zur Besinnung. Er wich zurück, drehte sich hastig um und verschwand. Eilig verließ Aletha das Becken, kleidete sich an und suchte nach Wittiges. Sie fand ihn im Kontor, an einem der wenigen Orte, wo er zurzeit vor Besuchern sicher war. Ulf war bei ihm, er gab ihm Schreibunterricht.
„Bitte, lass uns allein!“, befahl Aletha dem Jungen. Ulf gehorchte umgehend, als hätte er Angst, dass sie ihm das Beisammensein mit Wittiges übel nahm.
„Worüber hast du dich aufgeregt? Der Junge hat nichts Verbotenes getan“, erklärte Wittiges.
„Der Junge?“ Erstaunt sah sie zur Tür, durch die Ulf gerade verschwunden war. „Nein, um den geht es nicht.“ Sie wandte sich Wittiges zu. „Hör zu! Du musst Viola verheiraten, noch heute. Pontus soll sie mit Chramm zusammengeben. Du hast doch ohnehin vor, die beiden zu verheiraten, oder nicht? Tu’s jetzt, oder es passiert ein Unglück.“
Sie erzählte ihm von der Begegnung mit Wandalenus im Bad.
Wittiges knurrte unwillig, sie wusste nicht, ob aus Wut über Wandalenus’ Verhalten oder weil er ihre Forderung ablehnte.
„Verstehst du nicht?“, fragte sie. „Viola ist in Gefahr. Wandalenus wird ...“
Wittiges hob die Hand, und Aletha verstummte, aber als er immer noch nichts sagte, begann sie von Neuem. „Du magst Viola doch, nicht wahr?“, fragte sie unsicher.
Seit Violas ungezügeltem Tanz am Feuer hatte er das Gefühl, das sie sein Inneres in Brand gesetzt hatte. Noch viel bedachter als früher ging er ihr aus dem Weg und setzte sich sogar bei den Mahlzeiten so, dass er sie nicht anschauen musste. Wenn er ihr zufällig begegnete, flüchtete er. Das war auch nicht gut. Hin und wieder kam sie zu ihm, die kleine Agnes auf dem Arm, weil sie genau wusste, dass er sich wenigstens eine Weile mit der Kleinen abgeben musste - und zugleich mit ihr.
Wittiges wünschte sie sich aus den Augen, aber um alles in der Welt
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