Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman
verbrennen. Zum Schluss brachten die Knechte einen großen, aus dicken Brettern gefertigten Holzladen an, mit dem sie die Höhle fest verschlossen. Eine anschließende Befragung unter den Dörflern erbrachte keinen Hinweis darauf, was aus dem Mann geworden war. Vielleicht hatte er erkannt, dass ihn Wittiges nicht länger auf seinem Grund dulden würde, und hatte sich deshalb mit einer durch die Spenden vieler Pilger gut gefüllten Reisekasse aus dem Staub gemacht.
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Kurz nach Weihnachten traf Wandalenus ein, um sich zu erkundigen, warum die Königin immer noch nicht nach Metz zurückgekehrt war. Zu seinem Gefolge gehörten einige anstrustiones und ein Rechtskundiger, ein Rachinburger, die alle untergebracht und mit üppigen Mahlzeiten beköstigt werden mussten. Aletha wusste, dass sich Wittiges und Pontus Sorgen über diese zusätzliche Belastung machten. Die Vorräte für den Winter würden sich weiter verknappen, wenn die ungebetenen Gäste nicht bald abreisten, aber noch sprachen sie nicht davon. Dabei war es bis zur königlichen Residenz in Reims nur ein kurzer Ritt von einige Stunden, der auch im Winter durchaus zu bewältigen war. Aber den Gästen gefiel es auf casa alba, vor allem Wandalenus. Er hatte eins der schönsten Zimmer für sich beansprucht und gebärdete sich schon bald, als ob er der Hausherr wäre. Aletha rechnete damit, dass Wittiges bald der Kragen platzte und es zum Streit kam. Außerdem machte die Heizung Probleme: Ein Teil des gemauerten Ofens im Untergeschoss, der das Wasser für das Hypocaustsystem erhitzte, war zusammengebrochen und nur notdürftig geflickt worden. Der neue Mörtel hielt der Hitze weniger gut stand als der alte, denn das Wissen um dessen Zusammensetzung war mit dem Untergang der Römer verloren gegangen. Jederzeit konnte der gewaltige Ofen endgültig zusammenstürzen. Um das zu verhindern, hatte Pontus angeordnet, nur noch mit halber Kraft zu heizen. Zudem leckten einige der unter dem ganzen Haus verlegten Leitungsrohre aus Ton, sodass ohnehin nicht mehr überall geheizt werden konnte. In manchen Räumen wurde es ungemütlich kühl. Am angenehmsten war es im Bad, das der Größe der Villa entsprechend aus einer Folge mehrerer Räume bestand, ausgestattet mit diversen Becken für kaltes, warmes und heißes Wasser, mit eingebauten marmornen Ruhebänken, plätschernden Wandbrunnen und einem wunderbar erhaltenen Mosaikfußboden, der spielende Delfine zeigte. Im Boden und in den Wänden zirkulierte warme Luft. Alles in allem glich die Anlage der Miniaturausgabe einer altrömischen Therme, wie sie noch in Resten in Trier und andernorts existierte.
Etwa vier Tage nach Ankunft der neuen Gäste lag Aletha zusammen mit Viola im gleichen, mit Marmor ausgekleideten Becken, in dem sie wenige Wochen zuvor mit Wittiges gebadet hatte. Für einige Stunden hatten die Frauen das Bad ganz für sich. In das Becken führten breite Stufen hinab, und zur Bequemlichkeit lagen auf dem Rand Kissen, an die sie den Kopf anlehnen konnten.
Aletha brauchte diese Entspannung. Nur im heißen Wasser vergaß sie die Schmerzen, die sie immer häufiger und heftiger überfielen.
Mägde wärmten Tücher vor, die sie auf einer Marmorliege ausbreiten würden, sobald sich eine der beiden Frauen für eine Massage mit angewärmtem Duftöl darauf ausstrecken würde. Es war ein ruhiges Treiben, das unendlich guttat. Aletha wunderte sich aber, wieso Viola so viel Zeit hier verbrachte. Vielleicht zog sie es vor, den Männern, die sie bei jeder Mahlzeit allzu dreist anstarrten, aus dem Weg zu gehen. Einem anstrustio , der die Finger nicht bei sich behalten konnte, hatte sie kurzerhand den kleinen Elfenbeindolch, den Wittiges als Geschenk von der Reise zu den Awaren mitgebracht hatte, in die Hand gerammt. Sie trug stets eine Waffe bei sich und konnte damit ausgezeichnet umgehen. Kämpfen hatte der alte Cniva sie gelehrt, und sie war eine begabte Schülerin gewesen. Aletha wusste so gut wie Wittiges, dass bald schon über ihre Zukunft entschieden werden musste, und sie ahnte durchaus, warum ihr Mann immer noch zögerte. Wie viele andere, war er Viola verfallen, leugnete es aber hartnäckig vor sich selbst. Irgendwann würde sie das Spiel, das sie schon lange mit ihm spielte, gewinnen. Noch vor einem Jahr hätte Aletha der Gedanke empört, aber jetzt regte sie Wittiges’ Schwäche für das Mädchen nicht mehr sonderlich auf. Sie mochte Viola. Mit der Zeit hatte sie den Platz in ihrem Herzen eingenommen, den früher
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