Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman
in die Kapelle ein, wo Pontus klangvoll und wortreich den Segen des Himmel auf das Brautpaar herabflehte. Er verwies auf Beispiele aus der Bibel über gelungene Ehen, über Vertrauen, Treue und ewige Liebe, an der die Heiligen im Himmel ihre Freude hatten. Bewegt erneuerte auch Wittiges sein Ehegelöbnis und legte alles, was er für Aletha empfand, in die Stimme. Sie standen sich gegenüber und vergaßen die anderen. Es war die wirkliche, die wahre Liebe, die sie beide verband. Kein Strohfeuer der Leidenschaft.
Nach der Zeremonie ging Aletha zwei Mägde wecken, um mit ihnen ein Brautgemach herzurichten. Pontus nahm den Bräutigam beiseite und redete auf ihn ein. Wittiges bemerkte, wie sich Verlegenheit auf Chramms Gesicht zeigte, und konnte sich ungefähr zusammenreimen, was der Mönch dem jungen Mann mitteilte: Bis zum Morgengrauen musste die Ehe vollzogen sein.
Als Aletha und Wittiges Viola an die Hand nahmen, um sie gemeinsam zum Brautgemach zu geleiten, dachte Wittiges daran, wie er vor vielen Jahren die Hand eines kleines Mädchens gehalten hatte, das seinem Schutz anvertraut worden war. Aber diesmal war es kein väterliches Gefühl, das ihn durchrieselte, als Viola es fertigbrachte, mit zwei Fingern nach seinem Puls zu tasten und ihm sacht über das Gelenk zu streichen, eine erstaunliche erotische Berührung. Aber das änderte nichts.
Am nächsten Morgen herrschte bereits früh Unruhe im Haus. Wandalenus und seine Männer nahmen nur ein kleines Frühstück ein, während bereits die Pferde gesattelt wurden. Wittiges gesellte sich erst recht spät zu ihm und traf ihn im Gespräch mit Brunichild an, die sich wohl nur eingefunden hatte, um Wandalenus zu verabschieden.
„Wo ist das Mädchen?“, fragte Wandalenus mit vollem Mund.
„Es tut mir leid, aber die Gegebenheiten haben sich geändert,“, entgegnete Wittiges ruhig. „Das Mädchen, von dem du sprichst, ist inzwischen verheiratet.“
„O, ja! Das ist sie.“ Pontus kam herein, brachte einen deutlich spürbaren Hauch von Kälte mit und rieb sich geschäftig die Hände. „Ist noch etwas kalter Braten da? Heiß wäre er mir allerdings lieber. Es friert draußen wieder.“ Unauffällig nickte er Wittiges zu.
Wandalenus schleuderte den Becher, den er in einer Hand hielt auf den Boden, wo das Bier eine Lache bildete. „Was soll das heißen: Das Mädchen ist verheiratet?“, polterte er.
„Das wüsste ich auch gern“, mischte sich Brunichild ein. „Um wen geht es überhaupt? Doch nicht um Viola?“ Ungläubig schaute sie von einem zum anderen.
Wandalenus ignorierte ihren Einwurf und herrschte Wittiges an. „Falls du auf die lächerliche Idee gekommen bist, das Mädchen rasch zu heiraten, so lass dir gesagt sein, dass ich die Ehe nicht anerkenne. Das Mädchen ist mir zugesprochen worden, und dabei bleibt es.“
„Bitte?“, fragte Brunichild dazwischen und funkelte Wittiges so an, dass es ihn kalt überlief. Beschwichtigend hob er die Hände.
„Wer sollte die Trauung überhaupt vollzogen haben?“, fragte Wandalenus höhnisch. „Du etwa?“ Er zeigte auf Pontus.
Lächelnd nickte dieser, die Hände in den Kuttenärmeln verborgen. An diesem Tag trug er ein besonders sauberes Gewand, und anscheinend hatte er die Tonsur frisch geschoren. Die kahle Stelle auf seinem Haupt leuchtete rosig und glänzte, als hätte er sie zusätzlich mit Öl eingerieben, um sie auffälliger zu machen. Dazu trug er ein kleines Silberkreuz auf der Brust, das Wittiges noch nie gesehen hatte. Pontus kam ihm geradezu verwandelt vor, ein Hauch von pastoraler Würde umschwebte ihn.
„Du täuschst mich nicht!“, polterte Wandalenus. „Ich könnte darauf wetten, du bist nicht mal ein ordentlicher Christ. Arianer, stimmt’s? Die Leute aus dem Süden sind es meistens. Und dass du von dort kommst, verrät deine Sprache.“ Der Griff an den Gürtel, wo sein Schwert hing, verriet, dass er sich auf einen Kampf einrichtete.
Dass sich diese Heirat als ungültig erweisen könnte, beschäftigte Wittiges, seit die Trauung vollzogen war. Es gab nur Pontus’ Behauptung, er habe irgendwann in grauer Vorzeit die Priesterweihe erhalten. Wendig wie ein Aal schlüpfte er von Zeit zu Zeit in eine Rolle, die ihm höchstwahrscheinlich nicht zustand, und wand sich wieder heraus, sobald es ihm passte. Noch nie hatte Wittiges so handfeste Zweifel an seinem geistlichen Stand gehegt.
Demütig neigte Pontus den Kopf und sprach erstaunlich leise, aber klar verständlich. „Vor zwanzig Jahren
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