Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman
Orléans etwa eine Meile hinter ihnen lag, verwickelte er Wittiges in ein Gespräch. Sie ritten die Straße entlang, die parallel zum Fluss verlief und nach Tours führte. Die Landschaft ringsum war recht flach und wies kaum nennenswerte Erhebungen auf. Felder wechselten mit kleinen Wäldern ab, und gelegentlich eröffnete sich die Aussicht auf einen Rebhang diesseits oder jenseits der Loire, der kaum mehr als zwanzig oder dreißig Fuß anstieg. Auf der Höhe eines dieser Hügel schimmerten die Mauern einer Villa, die das Zentrum eines größeren Guts bilden musste. Als Wittiges schon glaubte, sie würden darauf zuhalten, bogen sie erstaunlicherweise auf einen Pfad ab, der zum Fluss hinunterführte. Hier wuchsen Röhricht und uralte Weidenbäume. Leudemund erzählte gerade von dem Landsitz, den er in dieser Gegend besaß. Vielleicht lag sein Gut auf der anderen Seite des Flusses? Wittiges spähte nach einem Fährkahn aus, als Odilo warnend schnaubte. Ohne sich umzudrehen, beugte sich Wittiges tiefer, zog eins der Wurfmesser aus dem Versteck unter dem Sattel hervor, stemmte die Füße fester in die Steigbügel und wandte sich um.
Leudemund ritt neben ihm, trieb aber sein Pferd nun vorwärts, während sich seine Begleiter von hinten heranschoben - der Pfad war nicht breit genug für alle. Beide Männer zogen ihre Schwerter, und auch das sirrende Geräusch aus Leudemunds Richtung verriet Wittiges, dass er es mit drei Angreifern aus zwei Richtungen zugleich zu tun hatte. Ohne innezuhalten, riss er Odilo herum, warf gleichzeitig das Messer und griff nach dem zweiten. Der Mann hinter ihm schrie getroffen auf. Der andere holte gerade mit dem Schwert aus, verharrte aber mitten in der Bewegung. Das zweite Messer drang ihm in die Kehle. Jetzt war nur noch Leudemund übrig. Mit einem Schlachtruf kam er herangaloppiert, aber Odilo wich aus und bahnte sich durch das Weidengestrüpp einen Fluchtweg zum Fluss. Wittiges schnalzte nur mit der Zunge, und schon rutschte Odilo die Böschung hinunter ins Wasser.
8
„Wann soll die Hochzeit sein?“ Fredegund starrte Chilperich aus weit geöffneten Augen an.
„Sie muss schon stattgefunden haben.“
„Aber das Mädchen ist erst elf!“, schrie Fredegund. „Wie kommt Brunichild dazu, ihre elfjährige Tochter zu verheiraten?“
„Weil sie uns immer einen Schritt voraus sein will.“ Chilperich hob unbehaglich die Schultern. Es war eine schlechte Nachricht, die sie in Amiens gegen Ende ihrer jährlichen Ochsentour durch die Provinzen erreicht hatte, und sie kam zu spät, als dass noch etwas dagegen zu unternehmen war. Brunichilds Tochter Ingund hatte das westgotische Reich längst erreicht.
„Wir hätten diese Heirat für Rigunth arrangieren sollen. Unsere Tochter ist alt genug. Ein Bündnis mit den Westgoten! Wenn Brunichild will, kann sie uns im Süden mit Guntram auf der einen und ihrem Onkel Leovigild auf der anderen Seite in die Zange nehmen. Wie kommt sie überhaupt dazu, das Kind an Hermenegild zu verschachern? Er ist ihr Verwandter, er ist ... warte mal ... der Sohn ihres Onkels, das heißt, Ingund heiratet den Cousin ihrer Mutter. Das ist ekelhaft und verstößt auf alle Fälle gegen das Kirchengesetz. Diese Ehe ist Blutschande. Aber das ... schert sie wohl nicht. Das hat sie ja auch nicht davon abgehalten, Merowech ...“ Sie brach ab. „Warum ist uns so eine Verbindung für uns nicht eingefallen? Meinst du, Leovigild könnte uns den Tod Gailswinthas noch nachtragen?“
Chilperich hatte geduldig dem Geplapper zugehört und es auf sich wirken lassen, und allmählich begriff er, wo sich für ihn eine Möglichkeit ergab. Bisher hatten ihn die Nachrichten aus Austrasien niedergedrückt, und er hatte noch nicht strategisch darüber nachdenken können. Aber es gab immer einen Ausweg. Er würde sich von Brunichild nicht auf der Nase herumtanzen lassen.
„Du müsstest einiges von deinem Vermögen opfern“, erklärte er. „Wir dürfen nicht knickrig sein, und der Rat würde es übel nehmen, wenn alles aus dem Staatsschatz käme.“ Fredegunds Erfindungsreichtum, sich die Güter anderer anzueignen, stand nur noch unwesentlich seinem eigenem nach. Auf alle Fälle war sie eine sehr reiche Frau.
Sie schaute ihn an und überlegte, ob ihn bereits der Altersschwachsinn streifte. „Wovon redest du?“
„Ich habe den Schuldspruch, den Guntram wegen Gailswinthas Ermordung gegen mich verhängt hat, nie anerkannt, und das zahlt sich nun aus. Ich weiß, was wir tun werden. Leovigild
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